Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Leipzig am 21t Aug 1823.

Mein sehr geehrter Freund,

Ich danke Ihnen herzlich bez. der mir in Ihrem lieben Briefe vom 23t Febr d. J. verschaffte Bekanntschaft des jungen Gehrke. Er hat nun in jeder Hinsicht ganz außerordentlich gefallen und ich habe nach Kräften gehulft(?) ihm seinen Aufenthalt hier nützlich zu machen.
Mit Maurer bin ich nun in Ordnung, da ihn der Graf Platen nicht anstellen wollte ohne ihn gehört zu haben, so habe ich abgemacht, daß Maurer auf 6 Monat von Nov bis April gegen 800 Rth. Honorar nach Hannover geht u kommt dann eine lebenslängliche Anstellung zu Stande, so bekommt er 200 Rth. Reisegeld, 800 Rth. jährl. Gehalt. Ein jedes dann(?) 12 [???]: Konzerte(?) 25 Rth., ein Beneficekonzert und 3 Monat Urlaub. Im July wird er von Petersburg abreisen.
Wenn Sie dort eine erste Sängerin gebrauchen, so mache ich Sie auf Mad. Cornega aufmerksam die kürzlich hier war. Sie wählte ein sehr schlechtes Konzert hat aber in diesem so wie im Theater ganz außerordentlich gefallen.1 Ihr Name ist nicht bekannt und sie betritt auch erst seit kurzem wieder die künstlerische Laufbahn. Sie war bei Estherhazy angestellt, und ist jetzt wahrscheinlich seine verabschiedete Maitresse. Obgleich sie eine geborene Polin ist so spricht sie sehr geläufig Deutsch, ein wenig weimarisch(???); wie sie es im Gesang ausspricht weiß ich nicht, da ich sie nur ital. singen hörte. Sie ist Mezzo Sopran, hat eine in der That bewundernswürdige Geläufigkeit, eine sehr angenehme Stimme und singt sehr rein ist auch musikalisch gebildet als Schülerin Salieri‘s. Kurz ich kann sie Ihnen sehr empfehlen. Jezt ist sie in Berlin und auf meinen Bericht über sie hat ihr Graf Platen geschrieben u wahrscheinlich sie nach Hannover eingeladen um sie zu hören, befragte mich über die Kraus Wranitzky da sie eine erste Sängerin gebrauchen u da empfahl ich ihm die Cornega der ich seinen Brief nach Berlin schickte.
Nun habe ich noch eine große Bitte. Reissiger von dem ich Ihnen schon erzählte hat sich vortrefflich ausgebildet und unter Winters Leitung in München eine Oper geschrieben die auf den ital Theater gegeben werden sollte, als es abbrannte.2 Er läßt sie jetzt übersetzen und ich suche(?) jetzt Ihre Vermittelung an sie dort auf die Bühne zubringen. Sie ist gut gearbeitet, nicht ala Rossini, und schön; ich kenne sie weil ich sie am Clavier gehört habe. Ich weiß daß Sie gern deutsche Künstler emporhalten u gewiss erfüllen Sie mein Bitte: sagenSie mir nur was zu thun ist. Mit seiner Anstellung hier in der Stelle meines Schwiegervaters3 ist es nichts geworden da man ihn zu jung fand. Dies war aber auch das einzige was man ihm entgegen fand. Sollten Sie ihn als Musikdirektor irgend wo empfehlen können, wo er einen nicht zu kleinen Wirkungskreis hat so wird er Ihnen zweifellos Ehre machen.
Ich habe nun meines Schwiegervaters Sammlung von theoretischen und praktischen musikal. Werken, die gewiß eine der ersten in Deutschland ist; die ich gern ohne sie zu trennen verkaufen möchte. Ist damit in England nichts zu machen? Sie kennen ja das dortige musikal Treiben u können mir vielleicht rathen.
An Riess habe ich vor einiger Zeit deshalb geschrieben aber noch keine Antwort erhalten.
Die herzlichsten Empfehlungen von mir und meiner Frau an Sie u Ihre liebe Familie

Ihr treuergebener Freund
C. Weisse.



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Weiße, 23.02.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Weiße an Spohr, 26.03.1824, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Spohr an Weiße erschließen lässt.

[1] Vgl. „Leipzig, von Ostern bis Michael“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 786-792, hier Sp. 787.

[2] Anton Baumgartner, Beschreibung des Brandes im Königlich-Baierischen großen Hof- und Nationaltheater den 14. Jänner 1823, nebst der Darstellung der Mittel, welche zur Rettung der Umgebungen ergriffen worden sind, München 1823.

[3] Der verstorbene Thomaskantor Johann Gottfried Schicht.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (22.10.2021).