Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 270 (teilweise)

Sr. Wohlgeb.
Herrn Louis Spohr
Hofkapellmeister
in
Cassel

Frey.


Leipzig den 18 July 1823.

Werthester Freund

Wegen Ihrem H. Bruder bedurfte es nicht erst einer Bitte, sondern sobald Sie mir ihn zu Arrangements als sehr gut empfehlen, so ist genug für mich, um mich in solchen Bedürfnißen an ihn zu wenden.
In dem Augenblicke habe ich nichts, hätte ich es etwas früher gewußt, so hätte ich ihm einige Sachen geben können die ich nun nach Dresden versprochen habe um sie dort für 4 Hände arrangiren zu lassen, im Herbst aber werde ich ihm etwas geben können was für 2. und 4. Hände arrangirt werden soll, indeß können Sie ihm ja einige Ihrer neuern Quartetten geben, um solche für 2. Hände mit Violin zu arrangiren, dergleichen Arrangement von Quartetten ist zwar noch nicht vorhanden, allein ich glaube daß es sich gut machen wird und es eine Probe verdient, denn Quartetten für 4. Hände liebe ich nicht, es ist größtentheils etwas mattes.1
Ich überlasse Ihnen welche Quartetten Sie ihm geben wollen, nur müßen solche aus meinem Verlage sein, denn fremden Verlag mag ich auf keine Art antasten, die Wahl würde also zwischen Op. 45. u. Op. 58. sein, suchen Sie nur diejenigen aus welche sich für Pianoforte und Violin am besten machen werden.
Ihren H. Bruder lasse ich übrigens bitten, daß er das Arrangement möglichst gedrängt mache, denn erstlich ist es nicht gut wenn das Werk zu groß und dadurch zu theuer wird und zweitens, stelle ich mir vor, daß Quartetten für Pianof. u. Violin leicht ermüden können wenn solche zu lang ausgeführt sind, wohl aber effektvoller und unterhaltender2 werden wenn sie recht zusammen gehalten sind, nun Sie verstehen am besten wie es zu machen ist um rechten Effekt herauszubringen und werden Ihrem H. Bruder schon Ihren Rath ertheilen.
Wenn Sie den Klavierauszug Ihrer neuen Oper gedruckt haben wollen, werden Sie mir es schon wissen lassen, lieb ist mir es daß Ihr H. Bruder einen guten Klavierauszug davon gemacht hat, denn da habe ich doch nicht wieder ein Unglück wie bei Pixis Ausgabe von Faust zu fürchten. Ich habe Ihnen wahrlich schon seit einigen Wochen mittheilen wollen, daß im Faust gegen 300. Druckfehler sind und ich jede Platte corrigiren lassen muß, Sie werden große Augen manchen wenn Sie von dieser Anzahl hören, ich aber war wie versteinert als mir diese Schreckens-Nachricht von Hamburg aus zukam wo jene Fehler von einem Musiker aufgestochen waren.
Ich, der ich, so viel in meinen Kräften steht, auf möglichste Correktheit halte und kein antreiben und keine Kosten spare, ich muß gerade an einem Werke wie Faust ein solch Scandal erleben, was mich das ärgert können Sie nicht glauben, um so mehr, da ich auch ganz unschuldig bin, denn ich habe 3. Correkturen lesen lassen und der Mus. Dir. Schulz hat so viel Wirthschaft und Spektakel dabei gemacht, daß ich bald davon gelaufen bin, um nur nicht länger anzuhören, wie viel Fleiß und Sorgfalt er dabei verwende und da ich endlich alles ausgestanden habe, kommt nun ein solcher hinkender Bote.
Ich ließ sogleich H. Schultz kommen (der bei mir bloß Correktor für Gesang Werke ist und bisher immer ordentlich corrigirte) allein da der größte Theil jener Fehler (über 200.) in dem Manuscripte des H. Pixis waren, so brauchte er dieses zu seinem Schilde.
Der Correktor hat sich allerdings eigentlich bloß an den Buchstaben zu halten, indeß wenn doch so gar viele und zum Theil bedeutende Fehler im Manuscripte, daß ihm solche hätten auffalen sollen, wenn _ _ _ !
Die Sache ist vorbei und ich habe den Aerger und meine Arbeite eine höchst mühseelige Correktur und die Leute das Recht über mich Unschuldigen zu raisonnieren3 nun so etwas soll mir nicht wieder passieren denn nun halte ich mir lieber noch einen Correktor für die Manuscripte.
Freuen soll es mich, wenn Ihre Oper von der Art ist, daß sie leichten Eingang findet, denn wenn eine Oper nicht häufig auf die Bühnen kommt, so ists mit dem Klavierauszuge nichts und wenn der liebe Gott die Oper und den Auszug gemacht hätte, übrigens wünsche ich solches nicht bloß als Verleger sondern mehr noch Ihrentwegen, denn wen ich annehme wie oft ich mich ärgere, daß Ihr Faust hier nicht aufgeführt wird, während man uns den Kyffhäuserberg etc. auftischt, so kann ich mir wohl denken wie es erst dem Componisten sein muß, wenn ein gutes Werk von ihm keine verdiente Aufnahme genießt.
Ich gratulire Ihnen zum bevorstehenden Einzuge in Ihre neue Wohnung und mir gratulire ich, weil Sie Sich vorgenommen haben, darinnen wieder fleißig zu arbeiten damit der Leipz. Verleger wieder Vorrath erhalte.
Unser neuer College der Lederhändler Probst greift die Sache in so fern recht an daß er nach bekannten Componisten hascht, aber ich fürchte nur, daß er solches bloß thut, um seiner neuen Handlung einen Nahmen zu verschaffen und nach seiner Aeußerung, uns andern dadurch zu Geschäften mit ihm zu zwingen, denn Sache des Gefühls ist es bei ihm schwerlich sondern bloß Handelspolitik und nicht von Dauer. Daß er Sie, Hummell, Romberg, Weber etc. immer fort belagern wird, darauf dürfen Sie rechnen, denn seine Zudringlichkeit und Eigenliebe sucht ihres gleichen, indeß ich mache mir nichts daraus, mehrere meiner Autoren haben Probst geantwortet, daß sie erst abwarten wollen bis seine Handlung einen Nahmen habe damit sie doch wüssten wo sie ihre Werke hingäben und daß Freund Spohr nicht von mir zu ihm gehen wird, ist so gut wie ausgemacht, denn erstlich wüßte ich keine Veranlassung dazu und zweitens wäre solches doch eine offenbare Blame4 für meine Handlung.
Ich bin jetzt so frey gewesen, H. Ries in London, der an Probst ein Pianof. Concert5 verkauft hat, meine Meinung darüber zu sagen, ich bin gewiß nicht intereßirt, zumal nunmehr wo ich bloß noch für mich und ein Kind zu sorgen habe, bin auch zu vernünftig um alles haben zu wollen6 da ich nicht die Kräfte dazu habe, allein wenn ein Autor, mit dem man näher bekannt ist, seine Manuscripte den ersten besten geben will, ohne solche vorher seinen ältern Freunden anzubieten, das finde ich nicht recht. Ich mache manche Unternehmung bloß aus Ehre und rücksichtlich der Componisten, wenn aber diese mein Bestreben nicht würdigen, sondern jedem Unbekannten Manuscripte geben wollen, so sehe ich keinen Vortheil für die Anstrengungen von vielen Jahren, sondern jeder Neuling hat dieselben Vorrechte die ich mir erst durch längere Zeit zu verdienen suchte.
Einen vernünftigen Stolz muß jeder haben der es zu etwas bringen will und einen gewißen Stolz habe ich auch und so wie sich dieser auf ehrenvolle Unternehmungen gründet, so sollte auch der Künstler einen Werth darauf setzen, daß seine Werke in Handlungen herauskommen die schon einen Ruf haben, H. Ries brauchte deshalb sein Concert nicht mir zu geben sondern fand schon e[inen ander]n und brauchte zu keinem Lederhändler zu gehen – wenn nur der Probst mit etwas anders als mit Leder handelte, Leder und Musik will gar nicht zusammen klingen und eine Menge Witzeleyen muß ich deshalb in Gesellschaften hören zumal der Probst hier gekannt ist; mir und Härtel wird er das Brod nicht vortragen, aber ich wollte es hätte sich ein andrer hier mit Musik etablirt, denn zu diesem werden wir nie passen.
Es ist jetzt bei mir eine Oper von Hummel (Mathilde von Guise) in Arbeit, womit ich wohl nicht viel machen werde, indem der Text nicht anziehend sein soll, folglich die Oper selten gegeben werden wird, indeß sie ist von Hummel und er einer von denen von welchen ich alles nehme was sie mir senden, übrigens habe ich von ihm zugleich auch noch ein paar recht hübsche Klavierwerke erhalten.
Ich hätte in diesem Sommer so gern eine mir so benöthigte Zerstreuungsreise gemacht, aber leider läßt mich das Geschäft nicht fort, ich sitze von früh 8. bis Abends 7. Uhr an meinem Pulte, dann gehe ich auf meine Landwohnung und habe Langeweile, denn die Leere die ich fühle, läßt sich mit nichts füllen und der Abstand gegen die frühern glücklichen Sommer ist gar zu groß.
Gelegentlich werden Sie mir schon wissen lassen, welche Quartetten Ihr H. Bruder in Arbeit genommen hat, indeß grüße Sie und liebe Ihrige vielmals und bleibe

herzlichst Freund
Peters.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 14.07.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Peters an Spohr, 17.09.1823.

[1] Tatsächlich bearbeitete Ferdinand Spohr je eines der Quartette op. 45 und 58 für Klavier zu vier Händen. Diese Arrangements erschienen 1824 und 1825 bei Peters.

[2] Hier gestrichen: „sind“.

[3] „raisonnieren“ = „vernünftig sprechen, urtheilen, wirdersprechen, schlecht über Andere reden“ (vgl. John Oswald, Vollständiges Fremdwörterbuch, Koblenz 1854, S. 258).

[4] „blame“ = „Tadel, üble Nachrede, Schande, Schimpf, übler Ruf, böses Gerücht“ (vgl. ebd., S. 97).

[5] Op. 116.

[6] Hier gestrichen: „und“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (21.12.2016).