Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Münster den 8ten July 1823.

Lieber Herr Capellmeister!

Tausendmal bitte ich um Entschuldigung, daß ich Ihnen nicht schon längst meinen herzlichsten Dank gesagt habe, für Ihre freundschaftlichen Gesinnungen, was, welche Sie für mich noch immer hegen. Wegen meiner Coburger Angelegenheiten habe ich mich entschlossen selbige aufzugeben u. habe wieder ein Contract mit dem hiesigen Verein auf 2 Jahren eingegangen, die Direction fortzusetzen, muß daher jetzt noch 3 Jahre hier bleiben, sollte es mir denn hier nicht mehr gefallen, so glaube ich schon irgendwo mit Ihrer gütigen Empfehlung wieder anzukommen, gewiß wird es wenige Städte geben, wo so viel für die Musik herscht(???) wie hier, diese ist aber auch die einzige Kunst welche gedeihet, der Adel ist sehr bedeutend u. thut nichts wie musiciren, mehrere haben 80 bis 100 – 000 Thaler zu vergeben, unter welche ein gewisser Herr von Landsberg gehört der vorzüglich Violoncell spielt, u. mir vorigen Winter für die Lection, wo ich seine Frau accompagnirte je 2 Berl. Thaler gab. Man sagt hier allgemein daß das Domcapitel wieder hergestellt werden sollte, geschieht das so bleibe ich gewiß ganz hier, weil mir dann die Stelle als Director bei der Capelle nicht entgeht: jetzt mag ich mich nicht darum bewerben, weil mann die Direction einem alten Mann1 professorisch2 übertragen hat u. sie bringt unter den jetzigen Verhältnissen wenig ein.
Eine recht schöne Harfe hat mir kürzlich Schott in Mainz von Nadermann geschickt für 36 C[???]in Emballage mit einbegriffen, wo bereits Ihre schöne Sonate aus Bdur recht tüchtig studirt wird.
kürzlich habe ich zum erstenmale das 7te Conzert von Ihnen gespielt u. glaube daß mir noch nie ein Conzert so gelungen ist wie diese himmlische Composition, es wurde mir sehr gut accompagnirt woraus Sie entnehmen können, daß unser Orchester nicht ganz schlecht ist. Mein innigster Wunsch ist der lieber Herr Capellmeister, so glücklich zu seyn, Sie einmal hier zu sehen, sollten Sie vielleicht nach Amsterdamm reisen, so dürfen Sie uns das Glück nicht entsagen, es wird alles aufgeboten werden Ihnen den Aufenthalt so angenehm zu machen wie möglich. Das schöne Pop-pourri über die Irländischen Lieder erscheint wo[hl] noch lange nicht, dürfte ich es vielleicht nicht wagen Sie nur um [die] Principal Stimme zu bitten? Freilich verspreche ich Ihnen es3 [nicht] zu spielen ohne Ihre Erlaubniß, u. bis Sie es in Stich gegebe[n ha]ben. Die Ouverture aus Faust werden Sie auch wahrscheinlic[h] stechen lassen, ich glaube daß Sie mir voriges Jahr davon sagten, sonst würde ich auch wagen, Sie um diese Gabe zu bitten.
Mit der Bitte mich Ihrer werthen Frau Gemahlin u. Fräulein Töchter bestens zu empfehlen bich ich

Ihr ewig dankbarer
Schüler
Georg Schmidt.

NB: Das Musikfest in Elberfeld ist sehr besucht gewesen, u. Ihre göttliche Conzertante hat den Sieg davon getragen, unser Spiel war aber nicht Schuld daran.
Von Jephta von Händel wurden die Chöre vorzüglich gegeben, die Arien schlossen alle überein [Nbs.] –
Herrn Thome von Cleve lernte ich auch kennen, mit dem ich mich nur von Ihnen unterhielt, lange habe einen solche gemüthlichen Mann nicht gesehen, auch scheint er sehr gut Violoncell zu spielen. Das Orchester war ohngefähr 450 Personen stark, es fehlte aber ein tüchtiger Director4.

 



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schmidt an Spohr, 03.05.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schmidt an Spohr, 17.12.1823.

[1] Noch nicht ermittelt.

[2] Sic!

[3] „es“ über der Zeile eingefügt.

[4] Es dirigierte Johannes Schornstein (vgl. Anm. 5).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (08.02.2022).