Autograf: Universitätsbibliothek Kassel – Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Verehrter Freund!

Sie empfangen hierbei Mehuls herrliche Oper nebst meiner Bearbeitung. Eine ungegründete Nachricht, daß Sie nach Coppenhagen verreist seyen, hat mich von der frühren Uebersendung abgehalten. Einige Schuld hat hieran darf doch zugleich einer neuen Schweizerreise beigemessen werden, welche ich im Laufe des Juni gemacht habe. Sollten Sie für die dortige Aufführung die gedruckten Orchesterstimmen gebrauchen können, so bin ich durch ein Zuvorkommen seit des Verlegers in den Stand gesetzt, Ihnen diese, im Preiß zu 42 Francs, mit einem Rabatt von 15% zustande zu kommen, Sie mögen selbiges doppelt oder einfach gebrauchen. In München, Dresden, Carlsruhe und Breslau hat man bereits auf diese Oper reflektirt, hier ist sie für die Messe bestimmt.1 Das Honorar überweisen Sie mir gefälligst und wenn es Ihnen nicht beschwerlich ist in Geld.
Neues gibt es nicht. Guhr war bedeutend krank, bessert sich physisch aber wieder. Der Clavierspieler Schunke2 wurde wegen Verdachts der Pederastie aus der Stadt gewiesen. Der Verdacht war wohl leider zu gegründet und ich schreibe dieses Urtheil über den mißrathenen Sohn eines verstorbenen Künstlers3 mit großem Schmerze nieder.
Wie sollte es mich freuen, wenn wir Ihre neue Oper hier hören dürften! Ueber den Gang Ihrer neuen Kunstgestaltung würde dann Ihren Freunden ein neues Licht aufgethan, an dem sie sich gewiß entzünden würden. Guhr, der von Ihnen das Buch hat, sagt: es sey ein chinesisches Sujet in der Art von Lanassa. Ich meine dann aber wohl, es müßte ein indisches, individuelles vielleicht malabarisches4, seyn.
Als ich vor 12 Tagen über den Thuner See fuhr und mir von den Schiffern das freundliche Thierachern zeigen ließ, gedachte ich mit Liebe und Freundschaft Ihnen und den Ihrigen. Dort haben Sie eine schöne Zeit erlebt und deshalb ist mir der Ort werth. Ich hatte mir vorgenommen, ihn zu besuchen und mir das Haus zeigen zu lassen, in welchem Sie damals gewohnt; aber dummes Regenwetter hielt mich in Thun fest.
Leben Sie wohl, mein Theurer und grüßen Sie freundschaftlichst die Ihrigen von Ihrem

treuen Freunde
Georg Döring
(Litt. J. Nr. 253.)

Frankfurt
d. i Juli 1823.

Autor(en): Döring, Georg
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Schunke, Carl (Pianist)
Schunke, Michael
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Frankfurt am Main
Kopenhagen
Thierachern
Thun
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Hoftheater <Karlsruhe>
Hoftheater <München>
Stadttheater <Breslau>
Stadttheater <Frankfurt am Main>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823070147

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Döring. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Döring, 18.03.1824.

[1] Vgl. „Frankfurt a. M. im December 1823“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 55-61, hier Sp. 55ff. Zur Kasseler Aufführung vgl. „Cassel“, in: ebd., Sp. 482ff., hier Sp. 483.

[2] Zu Carl Schunke in Frankfurt vgl. „Frankfurt am Main, im März“, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 181-185, hier Sp. 184; „Aus Frankfurt a. M., im May“, in: ebd., Sp. 411-414, hier Sp. 412, „Aus Frankfurt a. M. Den 2. April 1823“, in: Abend-Zeitung <Dresden> (1823), S. 364 und 386, hier S. 386.

[3] Michael Schunke.

[4] Spohrs Jessonda ist eine Bearbeitung von La veuve du Malabar von Antoine-Marin Le Mierre.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (05.05.2023).