Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Ruppe:1
Meiningen
d 26. Juny
1823.
Wohlgebohrner Herr,
Verehrungswürdiger Herr Kapellmeister.
Die vielen braven Schüler, welche unter Ew. Wohlgebohren sichere Leitung und hohen Kunstbildung ihrem herrlichen Vorbilde nacheifernd, zu tüchtigen Violinisten heran wuchsen, erregten in unserem Kapellgehülfen Huhn das unwiderstehliche Verlangen, ein Paar Monate lang an1 Ihrem herrlichen Violin-Unterricht Antheil zu nehmen, von welchem er sich mit Recht großen Gewinn für sein Instrument verspricht und hat mich ersucht, ob Ew. Wohlgebohren die Güte haben wollten, ihn einige Monate lange in diesem Sommer mit Ihrem Unterricht zu beglücken und unter welchen Bedingungen? Wenn ihm auch seine beschränkte Lage versagt, in dem Maaße, wie er gern möchte und Ew. Wohlgebohren verdienen, sich thätig erkenntlich zu beweisen, so wird doch die Dankbarkeit gegen einen so würdigen Lehrer in seinem Herzen nie verlöschen.
Verzeihen Ew. Wohlgebohren, daß ich mich veranlaßt finde, Ihrer verehrungswürdigen Frau Gemahlin, der trefflichen Klavierspielerin, anliegendes Exemplar meines Trios für das Pianoforte, Clarinette und Fagott mit dem Wunsche zu verehren, daß Ihnen beiden einiges Vergnügen gewähren möge, wenn es auch nur eine Kleinigkeit ist.
Ich wünschte Ew. Wohlgebohren mit einigen meiner größeren Arbeiten bekannt zu machen und2 Ihr Einsichtsvolles Urtheil darüber zu erfahren, da Ihnen eine vortreffliche Kapelle erlaubt, solche aufzuführen und auch3 die Wirkung dieser Sachen zu vernehmen. Darf ich Ihnen in dieser Hinsicht einer Sinfonie aus C# und eine Fantasie für das Orchester aus Cb in Partitur und ausgeschriebenen Stimmen übersenden? Ich habe die sichere Ueberzeugung, daß mir Ihr Künstler Urtheil, wenn es etwas günstig ausfällt, mir in Leipzig pp zu großer Empfehlung gerreichen wird. Sollte es mir4 meine Zeit erlauben, einmal nach Cassel zu kommen, so bringe ich mein 2tes Oratorium „dem verlohrenen Sohn mit um solchen daselbst aufzuführen. Das Gedicht ist auch von mir. Meine neueste Arbeit ist „Lazarus Auferstehung, auch von mir neu gedichtet.
Das Schicksal hat nicht gewollt, daß ich die Tonkunst zu meinem Hauptgeschäfte hätte machen dürfen; sie ist aber mein Seelenpfand von Jugend auf, daß ich in Nebenstunden mit einiger Liebe bearbeite. Durch die Hierankunft unserer ehemaligen Waldhornisten der H Hildenbrand und Schröder5 wurde der Wunsch, Cassel einmal zu sehen; in mir recht lebendig. Sollte mir dieß Glück zu Theil werden; dann will ich mit vollen Zügen am Busen der Tonkunst Nectar trinken.
Ich freue mich im voraus auf die Zeit, wo mir es vergönnt sein wird, Ihnen persönlich die ausgezeichnete Hochachtung zu versichern, mit welcher ich5 mich zu unterzeichnen die Ehre habe
Ew. Wohlgebohren
gehorsamster Diener
Friedrich Christian Ruppe
Herzogl. Rath u. Canzleysecretär
Autor(en): | Ruppe, Friedrich Christian |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Hildebrand, Friedrich Christian Huhn, Heinrich Schröder, Martin Spohr, Dorette |
Erwähnte Kompositionen: | Ruppe, Friedrich Christian : Fantasien, Orch, C-Moll Ruppe, Friedrich Christian : Lazarus Auferstehung Ruppe, Friedrich Christian : Sinfonien, C-Dur Ruppe, Friedrich Christian : Trios, Klar Fg Kl Ruppe, Friedrich Christian : Der verlorene Sohn |
Erwähnte Orte: | Kassel |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823062647 |
Spohrs Antwortbrief vom 01.07.1823 ist derzeit verschollen.
[1] „an“ über der Zeile eingefügt.
[2] Hier gestrichen: „mir“.
[3] „auch“ über der Zeile eingefügt.
[4] Hier gestrichen: „möge“.
[5] Die Meininger Hofmusiker Friedrich Christian Hildebrand und Martin Schröder waren 1822-1823 kurze Zeit in der Hofkapelle Kassel tätig.
[6] Hier gestrichen: „stehts seyn“.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.12.2023).