Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Celle 18ten May. 1823.
Hochzuverehrender Hochzuschätzender Herr!
Überzeugt, daß Sie meinen ersten Brief, den Pott besorgen wollte, nicht erhielten1, wage ich es jetzt meinen zweiten an Sie zu richten, worin ich Sie aúm Ihren Untericht untertänigst ersuchen wollte.
Mitt vielem Eifer befleißigte ich mich mehrere Jahre der Violine, und das um so eifriger, je mehr ich wahrnahm wie groß die Zahl der Violinspieler sey, von denen zwar nur der größte Theil unter die niedrigste Claße gerechnet werden konte. Es war also der erste Sporn meines Fleißes nicht auch unter diese gezählt zu werden, und diesem Grundsatz nicht aus den Augen verlierend, benutzte ich jede Gelegenheit meinen wenigen Kentniße zu erweitern.
Nach vielen Bemühungen erhielt ich 6 Monath Urlaub vom Regimente, und in dieser Zeit wurde ich von Herr Concertmeister Kiesewetter als Schüler aufgenommen, nach meiner Zurückkunft gab ich mich auch noch viele Mühe, Ew. Wohlgeboren werden aber selbst einsehen daß wenn man als Soldat behandelt wird dieß schon einen schlechten Eindruck auf denjenigen macht der dieses Fach studiren will, und daß man gewen dem immerwährenden Dienst die Zeit und den Fleuß nicht daran wenden kann der dazu gehört. Es ist von jeher mein heisester innigster Wunsch gewesen von Sie Unterricht zu erhalten. O! wenn dieser Wunsch in Erfüllung gehen könnte, ich würde gewiß recht glücklich seyn, ich hatte darum schon früher an den jungen Pott geschrieben, daß dieser sich statt meiner bey Sie verwenden mögte, worauf er mir wieder schrieb ich würde warscheinlich Untericht erhalte; aber ich mögte erst selbst an Sie schreiben, dieses konte ich aber nicht sogleich, weil ich zwar erst Gewißheit haben wolte, ob ich auch von hier gewkommen konte denn es war mein Wunsch ganz von Regimente zu gehen um Ihren Untericht auf lange Zeit zu genießen, da ich aber Militär pflichtig bin, so wolte man mich hier nicht gehen laßen, und ich erhielt nur durch viele Mühe und gute Fürsprache das Versprechen, daß ich in diesen 3 Jahren die ich noch zu Dienen habe, alle Jahr 8 Monate Urlaub haben soll, gleich darauf schrieb ich und baadt2 den jungen Pott diesen Brief doch gütigst an Sie zu besorgen, dieser schrieb mir aber von Nordheim wieder, ich würde jetzt keinen Untericht erhalten können weil ich zu spät geschrieben hatte, dieses war gewiß keine Nachläßigkeit von mir ich konte ja nicht ehr3 denn ich wolte so gerne erst mit gewißheit schreiben. Herr Cappellmeister wenn es Ihnen irgend möglich ist so nehmen Sie mich als Ihren Schüler an Sie machen einen Menschen höchst glücklich dadurch, ich werde gewiß alle nur mögliche Mühe anwenden um Ihnen das Amt des Lehrers so leicht wie möglich zu machen, ich werde gewiß mit allen gern zufrieden seyn wenn ich auch nur einige Stunden die Woche erhalten könnte. Von erste July geht mein Urlaub an, alsdan würde ich gleich nach Cassel kommen, wenn ich hoffen dürfte von Ihrer Hand vorher einige Zeihlen4 wieder zu erhalten, so bitte ich Sie recht sehr darum.
Einliegender Brief an Ihre Frau Gemahlin ist mir von der Frau Medicinalrätin Köhler zum besorgen aufgetragen. Mitt der hertzlichsten Bitte daß Sie mir meinen so heißen Wunsch nicht verwagen mögen, bin
Ich
Ew. Wohlgebohrn
ergebenster Diener
Carl. Franzen.
Musicus im 4ten Infantrie Regimente.
Autor(en): | Franzen, Carl |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Kiesewetter, Christoph Gottfried Carl Koeler (Frau Medizinalrat in Celle) Pott, August Spohr, Dorette |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823051840 |
[1] „nicht erhielten“ über der Zeile eingefügt.
[2] Sic!
[3] Sic!
[4] Sic!
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.02.2022).