Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.5 <Peters 18230502>
Druck 1: Herfried Homburg, „Louis Spohrs erste Aufführung der Matthäus-Passion in Kassel. Ein Beitrag zur Geschichte der Bachbewegung im 19. Jahrhundert”, in: Musik und Kirche 28 (1958), S. 49-60, hier S. 51 (teilweise)
Druck 2: ders., „Louis Spohr und die Bach-Renaissance”, in: Bach-Jahrbuch 47 (1960), S. 65-82, hier S. 69 (teilweise)
[Beleg 1: A unique and extremely important Collection of Autograph Letters and Manuscripts of the World ‘s greatest Composers (= Katalog Pearson), London [1900?], S. 29]
[Beleg 2: Catalogue of valuable printed books, illuminated and other manuscripts, and autograph letters (= Katalog Sotheby's), London 1923, S. 29f.]
[Beleg 3: Music. Books, Manuscripts, Autographs and Engravings (= Katalog Maggs Bros. 476), London 1926, S. 79]
[Beleg 4: Early Books, Manuscripts and Autographs (= Kat. Maggs Bros. 557), London 1931, S. 117]
[Beleg 5: Autograph Letters and Historical Documents (= Katalog Maggs Bros. 560), London 1931, S. 138]

Cassel am 2ten May
23.1
 
Geliebter Freund,
 
Ich danke Ihnen recht sehr für die Erfüllung meiner Bitte.3 Die 500 Rth. Sächsisch habe ich hier ausgezahlt bekommen und die Spesen des Banquiers haben auf den Pfennig die 4 fl.1 betragen, die Sie über die Summe geschickt hatten. Ich mögte mich Ihnen nun auch gern einmal gefällig zeigen können und bitte Sie daher, mir eine Musikgattung zu bestimmen, von der Sie einen glänzenden Erfolg erwarten und wo möglich keinen Krebs3 zu sehen fürchten müssen. Ich will Ihnen als erste eine Komposition in meinem neuen Besitzthum schreiben und sie so kinderleicht machen, daß gewiß auch außer mir, alle andern sie so finden sollen. Es hat übrigens mit meinen Sachen eine eigene Bewantnis. Man muß sich nur mit Muth daran machen. Sie wissen, daß ich meine Messe zum ersten mal in Leipzig hörte und daß sie herzlich schlecht ging, so daß ich damals selbst die Überzeugung bekam, etwas für Dilettanten kaum ausführbares geschrieben zu haben. Wie ich hier unsern Gesangverein errichtete, worunter kaum 2 oder 3 waren die von Noten sangen, so sagte ich mir: an die Messe wirst du in vielen Jahren noch nicht gehen können, da der geübte Leipziger Verein sie nicht bezwingen konnte. Wie ich aber nach kaum 6 Monathen sah, daß der Verein bey zweckmäßiger Übung schon so weit gekommen war, daß man manches nicht zu schwere fehlerfrei a vista singen konnte, so nahm ich nun auch meine Messe vor und siehe es ging und geht jezt so, daß mir meine Musik erst wieder lieb geworden ist, die mir in Leipzig ein wenig fatal geworden war.4 So ist es auch mit meinen Opern. Man versteht sie nicht zu geben. Könnten Sie einmal Faust oder Zemire und Azor hier oder auch in Frankfurt hören und sähen den Enthusiasmus mit dem (ich darf es zu Ihnen wohl sagen) jede Vorstellung aufgenommen wird, Sie würden es nicht glauben daß die leztere der Opern in Leipzig, München, Wien wenn auch nicht mißfallen so doch auch nicht gefallen hat. Meine Musik muß mit großer Genauigkeit gegeben und oft gegeben werden damit sie der vornehme Musikalische Pöbel auch begreifen lernet. – Doch wieder auf mein Anerbiethen zu kommen, schreiben Sie mir, was Sie gern einmal von mir hätten, ich mache es Ihnen und wäre es für den Csakan5 oder die Guitarre.
Beykommend erhalten Sie das Soloquartett und die Ouverture Œuvre 606 und 61 und wünsche daß Sie daran keine Krebse sehen mögen. Die Stimmen sind von beyden Sachen oft gebraucht und daher korrekt. Lassen Sie Ihren Correktor nun nur auch recht genau seyn. In der Messe habe ich doch noch häßliche Fehler gefunden glücklicher Weise mehr in den Stimmen als in der Partitur. – Herzliche Grüße von den Meinigen. Leben Sie wohl. Mit herzlicher Freundschaft
 
der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf Peters an Spohr, 19.04.1823. Peters’ Antwortbrief vom 09.05.1823 ist derzeit verschollen.
 
[1] Am Rand der Seite befindet sich von anderer Hand der Empfangs- und Antwortvermerk des Verlags: „1823 / 2 May / 7 - / 9 - / Cassel / Spohr”.
 
[2] Ein Darlehen über 500 Rth. für den Kauf eines Haus' (vgl. Spohr an Peters, 07.04.1823).
 
[3] Nicht verkaufte Bestände, die an den Verlag zurückgeschickt werden (vgl. Vorbrief).
 
[4] Vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 122, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 147.
 
[5] Der auch „Spazierstockflöte“ genannte Csakan war die Blockflöte des 19. Jahrhunderts, die oft in Spazierstöcke eingebaut wurde.
 
[6] Ouvertüre zu Faust.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (19.12.2016).