Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 211 (teilweise)

Sr. Wohlgeb.
Herrn S. Spohr
Hofkapellmeister
in
Cassel
 
Frey.
 
 
Leipzig den 111 April 1823
 
Werthester Freund!
 
Daß ich lange nichts von mir hören ließ, ist Folge meiner gebeugten Stimmung, zwar arbeite und schreibe ich viel weil ich darinnen meine größte Zerstreuung finde, allein froh bin ich doch wenn ich mit den nöthigen Arbeiten fertig bin, denn noch wird mir vieles arbeiten sauer und dann macht es mir nicht mehr so viel Freude, denn die für die ich sonst so gern arbeitete ist nicht mehr – indeß habe ich Ihnen auch nicht geschrieben, so habe ich doch oft ja recht oft an Sie gedacht und jetzt inniger an meine Freunde, da mir nun die Liebe gestorben ist und mir bloß noch die Freundschaft bleiben soll.
Wahrhaft hat es mich gefreut, daß Sie sich angekauft haben, ich sehe doch nun, daß es meinem lieben Spohr mit dem stillsitzen Ernst ist und gewiß werden Sie solches nie bereuen. Sie sollen keineswegs hinter dem Ofen hocken, sondern immer noch in der Welt herum laufen und durch Ihre Kunst gutes verbreiten und Freuden schaffen, allein Sie brauchen nicht unstäte herumzuziehen sondern wenn Sie müde sind, so haben Sie doch nun Ihr Plätzgen wo Sie wieder ausruhen können und bei Ihren Ausflügen werden Sie Sich gar oft nach diesem Plätzgen sehnen, auch darf der Mensch, der so viel wie Sie herum gezogen ist, sich mit Recht nach einem Ruhepunkte sehnen wo er die Früchte seines Wandelns im Kreise der seinigen genieße, übrigens wird der Mensch alle Tage älter.
Wegen der benöthigten Rth. 500 – bedurfte es keiner Bitte, denn erstlich erhalte ich Manuscripte von Ihnen so daß Sie das Geld nur zu fordern brauchen und zweitens können Sie ja wissen, daß ich Ihnen Geld senden werde wenn Sie auch keins zu fordern hätten, reich bin ich zwar nicht, aber Freunden wie Sie, diene ich gewiß gern soviel ich kann und meine Freundschaftsversicherungen sind keine leeren.
Ich werde Ihnen die Rth. 500 – in diesem Monate senden, ich hätte dazu gleich Rath geschafft, allein da Sie solche nicht früher brauchen, so will ich erst meine Mess Einnahmen abwarten, indeß auf den richtigen Empfang des Geldes können Sie rechnen.
Von den bereits versprochenen Manuscripten2 können Sie nun vorerst das Quattuor brill.3 und die Ouverture zu Faust einsenden, denn diese sind nun zuerst zum Stich bestimmt und müssen diesen Sommer fertig werden, das Concert lasse ich absichtlich zuletzt, weil das Concert bei André4 nicht längst erschienen ist und das Potpourri irlandais5 in ein paar Wochen erscheinen wird, folglich ein kleiner Zwischenraum bei diesen Concert Stücken sein muß.
Daß ich Ihr Doppelquartett, sowie alles von Ihnen, drucke, bedarf keiner Erwähnung, machen Sie es nur ja nicht barbarisch schwer, denn es hat auf vielen Orten schon Werth daß sich zu Ihren Quartetten vier Spieler zusammenfinden, was wird es nun erst vor einen Spektakel geben wenn 8. Spohrsche Quartettisten zusammen kommen sollen, nun ich mag nicht hinsehen.
Wenn Sie von einer Ihrer Compositionen sagen daß sie nicht schwer sey, da fällt mir allemal, sans comparaison, die sonstige österreichsche Freyparthei die Rothmäntel6 ein, wenn diese einem Feinde den Kopf abschnitten, so sagten sie immer: es thut nicht weh – es [m]ag aber wohl wehe gethan haben und so denken Sie auch es s[ey] nicht schwer, andre aber fühlen es.
Der seel. A. Romberg hatte auch ein Doppelquartett angefangen aber nicht vollendet, ich schrieb an B. Romberg daß er es vollenden solle, er will aber nicht.
Daß mir, an Schichts Stelle, niemand lieber als Sie gewesen wäre, können Sie wohl denken, auch nannte man Ihren Nahmen unter der großen Zahl die sich darum bewarben, ich habe aber gleich wiedersprochen, denn ich wußte ja daß Sie Sich dort viel besser stehen; ein tüchtiger Fund wären Sie freylich für Leipzig gewesen, aber ich fürchte daß Sie nicht ganz an Ihren Platz gekommen wären, nunmahls hat diese Stelle C. Weinlich in Dresden erhalten.
Mein Töchterchen ist nun complett auf den Beinen, allein aus ihrem Sprechen kann man noch nicht klug werden und Papa ist ihr gelungenstes Wort, wenn sie so fort gedeihet, so wird es ein charmantes Kind, auch bekommt sie ganz die Augen meiner seel. Frau, Gott gebe daß sie auch deren Herz und Tugenden ererbt habe.
Seit wenigen Monaten habe ich nun auch eine Wirthschafterin und Erzieherin aus Frankfurt a/M erhalten und glaube, an dieser Person eine glückliche Wahl getroffen zu haben, denn bis jetzt erfüllt sie beide Pflichten sehr gut, wohl mir wenn es von Dauer ist.
Die Ordnung ist nun in meinem verwaißten Hause wieder eingekehrt und ruhiger bin ich wegen meinem Kinde, aber die in diesem Hause erlebten Freuden können in dieser Welt nie wiederkehren – , sollen auch nie wieder kommen – .
Vielmals grüßt Sie und Ihre liebe Frau.
 
Ihr herzlicher Freund
Peters.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 07.04.1823. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit dem derzeit verschollenen Brief Spohr an Peters, 14.04.1823, den Peters am 19.04.1823 beantwortete.
 
[1] Anscheinend schrieb Peters zuerst "10" und verbeserte dann in "11".
 
[2] Op. 59, 61 und 62 sowie die Ouvertüre zu Faust (vgl. Peters an Spohr, 20.06.1822 sowie Spohr an Peters, 22.11.1822).
 
[3] Op. 61.
 
[4] Op. 55.
 
[5] Op. 59.
 
[6] Die mit roten Mänteln bekleideten Serezaner waren berittene Grenztruppen Österreichs, die im 18. Jahrhundert für ihre Tapferkeit und Grausamkeit gefürchtet waren.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (16.12.2016).