Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,43 
Druck: Eduard Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 67 (teilweise)

Cassel am 4ten Aprill
23.

Geliebter Freund,

Es ist recht lange her, daß ich nicht von Ihnen gehört habe. Wie leben Sie mit den Ihrigen und was treiben Sie? In der letzten Zeit, während unserer Messe und bey der Vorbereitung dazu, war ich ungeheuer beschäftigt und konnte zu keiner Arbeit kommen; nun bin ich aber mit mit erneuerter Lust darüber her und habe bereits drei Sätze eines Doppel-Quartetts fertig. Dieß ist eine ganz neue Gattung von Instrumental-Musik, in der ich, soviel ich weiß, den ersten Versuch wage. Am meisten Ähnlichkeit bekömmt es mit einem Doppelchor, denn die beiden Quartettgesellschaften, die hier zusammenwirken, stehn gegeneinander ohngefähr in dem Verhältniß, wie die beyden Chöre bei jenem. – Ich bin sehr begierig den Effekt zu hören und beeile daher die Vollendung.
Das Wichtigste, was ich Ihnen zu melden habe, ist, daß ich mich angekauft habe. Vor ein paar Tagen habe ich einen Garten mit einem Wohnhaus, hundert Schritte vom Theater gelegen, erhandelt und, wie man mir allgemein versichert, einen guten Handel gemacht. Das Haus hat 2 Stockwerke und ist gerade geräumig genug um uns bequem zu fassen. Der Garten, mit herrlichen Obstbäumen, Lauben, einem Gewächshause u.s.w. liegt halb vor dem Hause und diese Hälfte besteht nur aus Lustgarthen und halb hinter dem Hause, einem Gemüsegarten.
Das Haus ist 1808 gebaut, sehr trocken und bequem eingerichtet; doch muß ich es ber[???]gen lassen, was noch nicht geschah und die meisten der Zimmer müssen neu tapezirt werden. Das ganze kostet 4000 Rth – die nöthigen Reparaturen werden unterdem etwa 400-500 Rth kosten. Ich bin sehr vergnügt, daß ich alles baar bezahlen und in einem schuldenfreyen Eigenthume wohnen kann. Johanni wird mir das Haus übergeben und dann muß ich den Kaufpreis entrichten. Ich ersuche Sie also, mir alsdann mein Kapital, welches Sie ja ohnehin nur aus Gefälligkeit so lange behalten haben, gefälligst zurück zu zahlen. Sollten 3 Monathe Kündigung zu kurz seyn, so rechne ich auf Ihre Freundschaft, die schon Rath zu schaffen wissen wird, daß ich, wenn der Zahlungstermin heranrückt, nicht in Verlegenheit komme. – Zugleich möchte ich gern einmal wissen (da ich die Kaufsumme in Preußisch Courant bezahlen muß,) wie viel mein Kapital von 7000 fl. in Preußischem Gelde nach dortigem Cours macht.
Schließlich bitte ich Sie noch, beyliegenden Wechsel einzukassiren und das Geld so lange aufzubewahren, bis Sie mir das Übrige schicken. Schreiben Sie mir doch aber gefälligst, wie viel es ist.
Frau und Kinder grüßen Sie und die lieben Ihrigen auf das herzlichste.
Recht bald einem Briefe von Ihnen entgegensehend mit inniger Freundschaft stets

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen:
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Doppelquartette, op. 65
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823040432

https://bit.ly/

Spohr



Der letzte überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, 26.01.1823. Speyer beantwortete diesen Brief am 08.04.1823.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.02.2016).

Cassel, 4. April 1823.

... Nun bin ich aber mit erneuerter Lust darüber her und habe bereits drei Sätze eines Doppelquartetts fertig. Dies ist eine ganz neue Gattung von Instrumentalmusik, in der ich, soviel ich weiß, den ersten Versuch wage. Am meisten Ähnlichkeit bekommt es mit einem Doppelchor, denn die beiden Quartettgesellschaften, die hier zusammenwirken, stehn gegeneinander ungefähr in dem Verhältnis, wie die beiden Chöre bei jenem. Ich bin sehr begierig den Effekt zu hören und beeile daher die Vollendung.
Das Wichtigste, was ich Ihnen zu melden habe, ist, daß ich mich angekauft habe. Vor ein paar Tagen habe ich einen Garten mit einem Wohnhaus, hundert Schritte vom Theater gelegen, erhandelt und, wie man mir allgemein versichert, einen guten Handel gemacht ...