Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Meiningen, d. 26ten Februar
1823.
Lieber Herr Kapellmeister,
Seit ich Ihnen zuletzt schrieb, kam der junge Gerke und erfreute uns alle durch sein ausnehmend großes Talent, ich arrangirte ihm ausgenblicklich ein Konzert in der Stadt, da er, weil der Sänger Fischer erst die Herzogl. Kasse ausgeleert hatte, nicht bey uns spielen konnte. – Nach Abzug der Unkosten hatte er doch 6 Louisd’or Ueberschuß; es gefiel allgemin sehr, außer dem D mol Konzert spielte er noch Ihre schönen Irländer mit bewunderungswürdiger Fertigkeit u. Reinheit. – Da Holleben jetzt nicht in Rudolstadt ist, – seine Mutter, die hier zum Besuch bey ihrer Tochter ist, sagte es mir – so rieth ich ihm lieber gleich nach Weimar u. Leipzig zu gehen u. hab ihm einen Brief an Klengel mitgegeben, den ich gebeten ihn bey G[???] einzuführen; auch an P[???] hab ich ihn empfolen. –
Meinem Plan nach England zu gehen, ist die Ausführung schon sehr nahe, schon Sonnabend, den 1 März, sehe ich Sie, doch dießmal leider nur auf sehr kurze Zeit, da ich um 9 Uhr ankommen u. um 12 Uhr Mittags schon wieder weiter fahre; so kurz die Zeit ist, so freue ich mich doch ganz unaussprechlich, Sie, meinen guten, lieben, alten Meister wiederzusehn und zu sprechen. – Der junge Prell geht mit mir bis Hamburg, wo ich noch 14 Tage bis 3 Wochen bleibe u. mich dann einschiffe u. dann bald meinen Bruder Caesar sehe! – Ich weiß nicht einmal, ob ich Ihnen geschrieben habe, daß der Herzog Anfang Juny ebenfalls nach London reiset, vielleicht werde ich mit ihm zurückreisen können. – Ich komme täglich mit ihm zusammen, u. eße häufig bey ihm; er ist und bleibt der liebenswürdigste Fürst, den ich mir denken kann; er giebt mir Briefe an seine Schwester1, an die Herzogin von Kent2 u. einen Sir3 George Sipley, wenn ich nicht irre im letzten Namen. – Wollten Sie nicht die Güte haben, mir Briefe zu schreiben? Die Ihren haben mir bis jetzt immer Glück gebracht, wo ich einen Brief von Ihnen hatte, wo ich auch schon im Voraus ohne Furcht und Sorge, darum bitte ich Sie recht sehr um Erfüllung meiner Bitte. Ihren Rath muß ich auch noch für mich in Anspruch nehmen, er soll mir als strengster Verhaltungsbefehl dienen. – Aber bis zu Sonnabend können die Briefe wohl noch nicht geschrieben seyn? am Ende kommt meine Person früher zu Ihnen, als mein Brief, u. ich kann vielleicht mein eigner Briefträger werden! – Das wäre doch sonderbar! Hermstedt hat mir geschrieben, er weiß von meiner Reise u. hat mir wieder viele Grüße an Sie aufgetragen, er nimmt einen unsrer Clarinettisten4 in die Lehre, so auch Fürstenau einen unsrer Flötisten5. – Von Gerke erfuhr ich, daß Gott Lob Ihre Frau Gemahlin jetzt recht wohl ist, u. daß Ida so gewachsen ist. Ich will aber nicht hoffen, daß sie größer ist als ich –
Ihr Sie über Alles liebender Eduard Grund.
Autor(en): | Grund, Eduard |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Adelaide Großbritannien, Königin Fürstenau, Anton Bernhard Gerke, Otto Grund, Caesar Härtel, Jacob Klengel, Moritz Prell, August Christian Sipley, George Victoria, Kent, Herzogin |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1823022638 |
Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 09.02.1823. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, 04.04.1823.
[1] Die spätere Königin Adelaide.
[2] Die sächsisch-coburgische Prinzessin Victoria, Mutter der späteren gleichnamigen Königin.
[3] „Sir“ über der Zeile eingefügt.
[4] Noch nicht ermittelt.
[5] Möglicherweise Jacob Härtel (vgl. Maren Goltz, Musiker-Lexikon des Herzogtums Sachsen-Meiningen (1680-1918), Meiningen 2012, S. 135 in Verbindung mit Bernhard Maria Hei nrich Schneeberger, Die Musikerfamilie Fürstenau. Untersuchungen zu Leben und Werk, Bd. 1, Münster 1992, S. 164).
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (13.12.2022).