Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Gotha d 28t Decembr. 22.

Hochzuverehrender Herr Capellmeister,
theuerster Freund!

Wenn ich nicht gewiß überzeugt wäre, daß ein großer Geist wie Sie, die kleinlichen Rücksichten der Etiquette wenig achtete, so würde ich in großer Verlegenheit sein, Entschuldigungen aufzufinden, die mein bisheriges Schweigen beschönigten: Noch viel weniger dürfte ich die Bitte wagen, mich dieserhalb bey ihrer Frau Gemahlin u. Familie bestens zu entschuldigen. Allen, besonders aber ihrer theure lieben Frau, bitte meinen aufrichtigsten herzlichsten Dank zu sagen, für alle mir erweisene Güte. Mit vieler Freude erinnere ich mich, alle der vielen geistigen, und leiblichen Vergnügen die Sie mir in ihrer schönen Wonung1 zu Theil werden ließen, aufrichtig muß ich gestehen, daß ihre schöne Einrichtung alle meine Erwartung übertraff. Nur hinsichtlich Ihrer eigenen Persohn, schien mir eine kleine Gemächlichkeit zu mangeln, ich dachte mir es muß mit beykommen für den Herrn Capellmeister seyn, wenn Sie sich an ihren arbeits Tische balbierten, zu diesem Behuff, bin ich so frey, Ihnen beykommendes Kästchen zu übermachen: Zugleich würde ich ein pahr Balbiermeßermeßer2 darin übersand haben, wenn ich nicht gewußt hätte, daß Sie ächt Englische besitzen wie ich sie hir nicht zu bekommen vermag. Wenn Sie die Vorlage des Spiegels im obern Drittel,zu mehrerer Festigkeit jedesmahl erst oben fest einschieben, so ist der Spiegel geschützt, und die Vorlage bleibt sitzen, beym Zumachen, unter den größten Papkasten befinden sich wenn Sie ihn berausnehmen noch zwey Schaniere. Auf den3 zusammengedrückten Papier im Kasten, ist der Plan von Gotha, und seinen nächsten Umgebungen. In der Wirklichkeit, ist es hir noch, wie immer, und in musicalischer Hinsicht wie bewust.
Herr Molique, ist noch nicht da4, wenn er bey5 seinem Erscheinen, nichts sechs Musicer noch mitbringt; so dürfte uns sein Hiersein wenig freuen, doch Hirüber mündlich ein mehreres. Nohr ist Cammermusicus, eine beßere Akquisition hätte man6 für 200 Rth. nicht machen können. Er spielt brav, und hat große Anlagen zur Composition, gestern haben wir eine Ouverture von ihm gemacht, die gewiss Ihren Beyfall erhalten wird. Ich schließe mit der Bitte, uns bald mit ihrer Gegenwart zu beglücken, und ihrer Frau Gemahlin, nebst Familie bestens zu empfehlen


Ihren
aufrichtigen Freund u. Diener
W. Bärwolff

Autor(en): Bärwolf, Johann Christian Wilhelm
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Molique, Bernhard
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Gotha
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Gotha>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822122844

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Bärwolf an Spohr, 03.02.1834.

[1] Sic!

[2] Sic!

[3] Hier gestrichen: „auf“.

[4] Einige Tage zuvor, am 18.12.1822, bezweifelte Johann Gottfried Schade gegenüber Spohr, dass Molique überhaupt nach Gotha käme – was auch nicht geschah.

[5] Hier zwei Worte gestrichen („noch“ und „scheinen“?).

[6] „man“ über der Zeile eingefügt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (23.07.2020).