Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Ferdinand Ries, Briefe und Dokumente, hrsg. v. Cecil Hill (= Veröffentlichungen des Stadtarchivs Bonn 27), Bonn 1982, S. 166f.
Monsieur
Monsieur L. Spohr
Directeur de Musique
a
Cassel
London 24 Dez. 1822
Mein liebster Freund!
Ihren lieben Brief vom 13 May, erhielt ich, und meine Freude würde doppelt gewesen seyn, hätte er mir die Nachricht gebracht, daß mein Bruder unter unseres ersten deutschen Künstler Unterricht haben könnte – allein gegen Ihre Gründe kann ich leider gar nichts sagen, sonst hätte ich bis den letzten Augenblick disputiert, um ihm dieses Glück zu verschaffen. Der Uberbringer dieses ist mein Bruder, der Ihre Compositionen über alles liebt, und dem ich wenigstens das Vergnügen machen will Ihre persönliche Bekanntschaft zu machen – ist es möglich, daß er Sie bey seiner Durchreise nur hören kann, so wäre sein jetziger größter Wunsch befriedigt, und ich hoffe, ich darf als alter Freund darum bitten. Ich schicke ihn nun nach Berlin in der Hoffnung, ihn dort unterzubringen, und da doch alle großen Künstler von Zeit zu Zeit hinkommen, so kann er wenigstens manches hören, ein gutes Orchestre soll auch dort seyn, und so hoffe ich wird es zu seiner künftigen musikalischen Bildung dienen. Können Sie ihm einige Winke wegen Berlin geben, so thuen Sie es, lieber Freund; ich war nie dort und kann daher nur Geld geben. Daß Sie einen so schönen Wirkungskreis nun haben, freuet mich recht herzlich, besonders daß diese Stelle einem Künstler zugefallen ist, der die Kunst so innig liebt, mögte der bessere Geist von dort ausgehen und das elende Geschmier von hergeloffenen Italiänern aus unserem Deutschland verbannt werden.
Wir sehen hier wie gewöhnlich fort, die Philharmonischen Concerten sind weit schlechter geworden, indem sie suchen nur Engländer als Directoren zu haben – die wohl gut dirigieren würden, wenn sie könnten. Ich kann mich personlich nicht beklagen, weil ich seit 3 Jahren nicht mehr Director seyn wollte. Sie haben jetzt eine Academie etabliert, und Concerten wo nichts wie einheimische e n g l i s c h e Compositionen gegeben werden sollen; das wird wirklich wenn nicht gut, doch1 gewiß intereßant werden. Meine Frau empfiehlt sich Ihnen und Ihrer lieber Frau recht herzlich. Sie war wieder sehr krank, doch ganz auf der Besserung, meine Kinder sind wohl, und ich wünsche mit ganzem Herzen nach Deutschland zurück: vor der Hand [w]erde ich mich wohl am Rheine ruhig zurückziehen: gedenke [ich Sie] bald zu besuchen – noch 1½ Jahr hoffe ich, dann wird abgeseg[elt. Mit] innigster Freundschaft bleibe ich
Ihr Freund Ferd. Ries
[Es werden in Leipzig zwey Simphonien von mir herauskommen, ich habe geschrieben, Ihnen ein Exemplar zuschicken, welches ich bitte, freundschaftlichst anzunehmen.]2
Autor(en): | Ries, Ferdinand |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Ries, Hubert |
Erwähnte Kompositionen: | Ries, Ferdinand : Sinfonien, op. 110 Ries, Ferdinand : Sinfonien, op. 112 |
Erwähnte Orte: | Berlin London |
Erwähnte Institutionen: | Philharmonic Society <London> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822122443 |
Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Ries, 13.05.1822. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Ries an Spohr, 14.02.1823.
[1] „doch“ über der Zeile eingefügt.
[2] Eingeklammerte Nachschrift am linken Seitenrand eingefügt.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (17.07.2019).