Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,207
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 66f. (teilweise)
Herrn
Hofkapellmeister Louis Spohr
Wohlgeb.
Cassel
in Hessen.
Offenbach am 22 Dezemb.
1822.
Theuerster Freund!
Mein Schwager hat mir die sehnlichst erwarteten Quartette überbracht. Empfangen Sie dafür den herzinnigsten Dank und die Versicherung, daß ich mich wahrhaft geehrt fühle, auf dem Titel dieses herrlichen Werks zu paradiren. – Ich hatte in langer Zeit keinen so glücklichen Tag als bei Ansicht jener Quartette. Schon vor 8 Tagen empfing ich sie von Gayl, und den andern Tag wurden sie von drei Uhr mittags bis neun Uhr abends probirt. Damit Sie jedoch keine ungünstige Idee von dieser Probe haben mögen, so sage ich Ihnen, daß ich jede Woche 1 bis 2mal Quartettmusik habe, wobei ich von dem jungen Stiastny aus Frankfurt (einem talentvollen, recht geschickten Violoncellisten) und 2 sehr braven Dillettanten unterstützt werde. Auch ich habe seit meiner Rückkunft aus Cassel mehr als je gegeigt als je, und in specie diese neuen Quartetten habe ich beinahe einen ganzen Tag geübt. – Dreymal nacheinander probirten wir, und das 3te Mal würden Sie vielleicht mit der Ausführung nicht ganz unzufrieden gewesen sein. – Was uns betrifft, wir waren ganz glücklich, und hatten nichts zu bedauern, als die beiden Adagios des 2. u. 3. welche sich nicht vorfanden. – Das Allegro des 3ten Quartetts ist mir das liebste des ganzen Heftes, und ich wünsche ganz recht bald Ihre Meinung darüber zu hören.
Mein Schwager hat uns viel schönes und Gutes von Ihnen erzählt, und ich, wie Sie wissen, fühle mich ganz glücklich, wenn ich weiß, daß es Ihnen wohl gehet. Sagen Sie mir doch, ob denn keine Hoffnung vorhanden, Sie nächstes Frühjahr auf einige Zeit zu sehen? Bis dahin können Sie Ihren Faust neu einstudirt, in Ffurt sehen. Gleich nach Neujahr wird er mit anderer Besetzung gegeben. Wie ist denn die Aufführung in Cassel ausgefallen? Und wie weit sind Sie mit der neuen Oper? – Soeben bringt mir Herr Stiastny Ihren Empfohlenen Herrn Dotzauer; was in meinen Kräften stehet, werde ich thun, um seinen Aufenthalt in Ffurt angenehm und nützlich zu machen.1 – Die Recension meiner Lieder in der musik. Zeitung werden Sie gelesen haben.2 – So ist ein Vortheil bei dem Härtelschen Verlag, indem man seine Compositionen sogleich gelobt siehet.3 – Ihren Faust von Pixis besitze ich. Er ist höchst zweckmäßig aber ungeheuer schwer und dürfte wenig Spieler finden. –
Ich werden mich damit beschäftigen, das Nonett in ein Quintett für Streichinstrumente zu arrangiren, indem wir es nur in dieser Form genießen können. Sagen Sie mir doch, ob das Octett schon erschienen ist. Diese Composition habe ich noch nie gehört. – Und nun zum Schluß eine Bitte. – Wenn Sie Muße und Laune haben, so schreiben Sie mir doch ein Adagio zum zweyten Quartett (a Moll). Da ich weiß mit welcher Leichtigkeit Sie schreiben, so wage ich diese Bitte, ohne unbescheiden unbescheiden zu sein. Sie würden mich dadurch sehr verbinden. Indessen muß es Ihnen nicht zuwider sein, so wie die Zeit bis zur Realisirung meines Wunsches Ihnen vollkommen überlassen bleibt. – Und nun die herzlichsten Grüße den Ihrigen. – Wie geht es Emilien? Mit unveränderlicher Freundschaft
stets der Ihrige Wm Speyer.
Autor(en): | Speyer, Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Dotzauer, Justus Johann Friedrich Gayl, Johann Conrad Pixis, Johann Peter Stiastny (Cellist) Zahn, Emilie |
Erwähnte Kompositionen: | Spohr, Louis : Faust Spohr, Louis : Nonette, Fl Ob Klar Fg Hr Vl Va Vc Kb, op. 31 Spohr, Louis : Oktette, Klar Hr 1 2 Vl Va 1 2 Vc Kb, op. 32 Spohr, Louis : Quartette, V 1 2 Va Vc, op. 58 |
Erwähnte Orte: | Frankfurt am Main Kassel Offenbach |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822122232 https://bit.ly/ |
Dieser Brief schließt an Speyer an Spohr, 20.10.1822 an. Bevor Spohr diesen Brief am 26.01.1823 beantwortete, schrieb Speyer am 23.01.1823 einen weiteren Brief an Spohr.
[1] Zum Konzert von Dotzauer und seinen Söhnen in Frankfurt vgl. „Frankfurt am Main, im März”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 25 (1823), Sp. 181-185, hier Sp. 183.
[2] Rez. „Gesänge für eine Singstimme mit Begleitung des Pianoforte - - von Wilhelm Speier [...]”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 24 (1822), Sp. 775ff.
[3] Die Allgemeine musikalische Zeitung erschien bei Breitkopf & Härtel.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.02.2016).
Offenbach, 22. Dezember 1822.
Mein Schwager hat mir die sehnlichst erwarteten Quartette überbracht. Empfangen Sie dafür den herzinnigsten Dank und die Versicherung, daß ich mich wahrhaft geehrt fühle, auf dem Titel dieses herrlichen Werks zu paradieren. Ich hatte in langer Zeit keinen so glücklichen Tag als bei Ansicht jener Quartette. Schon den andern Tag wurden sie von drei Uhr mittags bis neun Uhr abends probiert. Damit Sie jedoch keine ungünstige Idee von dieser Probe haben mögen, so sage ich Ihnen, daß ich jede Woche ein- bis zweimal Quartettmusik und seit meiner Rückkunft aus Cassel mehr als je gegeigt habe ... Ich werden mich damit beschäftigen, Ihr Nonett in ein Quintett für Streichinstrumente zu arrangieren, indem wir es nur in dieser Form genießen können ...