Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Sr. Wohlgeb.
Herrn Capellmeister
L. Spohr
in
Cassel
frei1
Hochgeehrtester Herr und Freund!
Daß ich Ihren, mir sehr werthen Brief vom 2t dieses erst heute beantworte, liegt daran, daß ich gern zugleich den Wechsel für den jungen Ochernal2 theurer Freund, mitgeschickt hätte. Da sich aber die Absendung desselben noch 8 bis 14 Tage (nicht durch meine Schuld) verzögern kann; so eile ich mit diesen Zeilen, um Sie, wenigstens nicht in Ungewißheit zu lassen. Das Benehmen des alten Ochernal3 kann ich freilich nicht billigen, noch weniger rechtfertigen; indeß er ist mein Jugendfreund, ich muß ihm den Strich durch meine Rechnung schon verzeihen und ich bitte, Sie daß auch Sie ihm, um meinetwillen, verzeihen mögen. Sein Sohn kömmt freilich bei dieser Geschichte zu kurz, was mir sehr leid thut; denn der kann nun nicht so lange als wir hofften bei Ihnen bleiben.
Daß Sie mit der Aufführung des jungen Ochernal und mit seinen Fortschritten zufrieden sind, freut mich herzlich. Ihrer Bemerkung, daß Virtuosität heutiges Tages mehr, als vielseitig ausgebildetes Kunsttalent gelten, muß ich leider beistimmen. Bitter bin ich oft geworden, (ich glaube, nicht aus Neid) wenn ich sehe wie die Leiute köperlich fidel warenn, wenn die Kunst als Magd behandelt wurde. Nach u nach wird man aber milder und ist zufrieden, einige aus dem Publikum, durch Vorführung echter Kunstwerke, höher gebildet zu haben.
Bärmann ist jetzt hier u wird Mittwoch den 23t sein zweites Conzert geben. Er hat einen großen Theil des hiesigen Publikums sehr gefallen. Ein Ton hat mich auch entzückt,4 das Uibrige (unter uns) hätte ich ihm schenken wollen.
Verbrennen Sie aber ja diesen sachverrätherischen Brief –
Ihres
Sie hochschätzenden u lie-
benden Riem’s.
Bremen
den 20t Oct.
1822.
Autor(en): | Riem, Friedrich Wilhelm |
Adressat(en): | Spohr, Louis |
Erwähnte Personen: | Baermann, Heinrich Joseph Ochernal, August Ochernal, Carl Friedrich |
Erwähnte Kompositionen: | |
Erwähnte Orte: | Bremen Kassel |
Erwähnte Institutionen: | |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822102044 |
Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Riem, 02.10.1822. Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Riem, ab 24.03.1837.
[1] Auf dem Adressfeld befindet sich links oben der Poststempel „BREMEN / ETH AX.O.P.A. / 20. Oct.“, auf der Rückseite des gefalteten Briefumschlags befindet sich der Stempel „20 OCTO 1822“.
[2] August Ochernal aus Bremen studierte zu dieser Zeit gerade bei Spohr in Kassel.
[3] Noch am 01.12.1822 versprach Carl Friedrich Ochernal an Spohr, das Reisegeld seines Sohnes in Ordnung zu bringen.
[4] Hier ein Buchstabe gestrichen.
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (11.07.2022).