Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 82 und 210 (teilweise)

Leipzig den 10. Octb. 1822

Werthester Freund

Beykommend empfangen Sie hierbei Ihren Faust, zürnen dürfen Sie nicht, daß sowohl dieser als auch die Quartetten nicht zu rechter Zeit fertig wurden, denn ich leide selbst dabei, indem jetzt auch mehreres zusammen kommen mußte um mich in der Arbeit aufzuhalten, denn nicht allein daß das Gedränge groß war, sondern ein nothwendiger Bau in dem Hause wo meine Druckerey ist, mußte dieselbe auch noch stöhren und dann wurde der Correktor Ihrer Quartetten krank, so daß auch diese ins stocken kamen, doch nun sind sie wieder flott und in zweiter Correktur und bestimmt erhalten Sie solche in diesem Monath. Es ist etwas peinigendes wenn man mit einer Ausgabe zwar vorwärts will und doch nicht kann, ich bin den ganzen Tag auf dem Platze und treibe immer an, allein übertreiben darf ich auch nicht, sonst fangen die Arbeiter an zu sudeln, ein Gegenstand gegen den man ohnedies immer zu Felde ziehen muß und ihn doch nicht ganz aus dem Felde schlagen kann.
Den Preis vom Faust habe ich wie den der Vestalin gestellt, es ist mir freilich nicht lieb daß diese Oper so viel kosten soll, allein warum ist sie auch so entsetzlich groß.
Hätte Ihr Faust ein so alltägliches Publikum wie der Freischütz und einige Rossinische Opern, ich hätte den Preis auf 6 Rth. gestellt, denn die Menge hätte mich entschädigt, bei Ihrer Oper habe ich aber bloß auf ein besseres folglich kleineres Publikum zu rechnen; übrigens steht mein Preis im billigen Verhältniße, denn ein Werk von 210. Seiten mit doppeltem Texte, sollte nach der üblichen Taxe um Rth. 9. – kosten, folglich verkaufe ich es billiger als eine gewöhnliche Sammlung Tänze ist.
Rossini Zelmire welche eben so stark ist1 und bloß italienischen Text hat, kostet Rth. 10. – folglich Rth. 2,/2 mehr als Faust und der Freyschütz, welcher 76 Seiten weniger hat u. bloß deuts. Text kostet 6 Rth. 12 Sgr. folglich nur 1. Rth. weniger; Sie sehen also daß mein Preis ungleich billiger ist, zumal wenn man noch berücksichtigt welches schöne Papier zu meiner Ausgabe ist, denn solches kostet gewiß den vierten Theil mehr als jenes. Gewiß nicht aus Intereße sondern aus Achtung für das Werk ärgert es mich, daß ich eine Spohrsche Oper billiger als jene Opern ansetzen soll und wäre dies nicht, ich hätte den Preis noch etwas niedriger gemacht.
Mit Grosheim will ich abbrechen, denn ich sehe daß mit ihm nichts wird, damit nun aber der Faust doch zu haben sey so sende ich heute Exempl. an den dortigen Buchhändler Krieger2, wo solche zu finden sind; ich muß sehen wo ich einen dortigen guten Comissionair auffinde, denn unbenutzt kann doch einen Ort wie Cassel nicht lassen, zumal da Sie nun dort Generallißimus der Musik sind.
Schlüßlich bitte, mir nun etwas von den Manuscripten zu senden, das Concert3 und Potpourri4 werde zuerst, und später das Quartett5 in Arbeit nehmen.
Bald schreibe Ihnen wieder Ihr Sie herzlichst grüßender Freund

C.F. Peters

Erneuert lege ich Ihnen die Bitte an's Herz, Ihre Werke doch ja nicht gar so lang zu machen, die Leute schreyen, wenn ein Werk so viel kostet und wir Verleger können doch wahrhaftig die guten Werke nicht verschleudern, denn sie verdienen solches nicht und kosten uns mehr als gewöhnliche.
Bedenken Sie nur, daß Ihr neues Concert6 bei André Rth. 3.8 Sgr. kostet, obgleich H. Andre den Preis mäßig gestaltet har, ein Pianoforte Concert passirt eher wenn es theuer ist denn für dieses Instrum. giebt es reiche Dillettanten, aber die Violin Concerte dürfen nicht so theuer sein.
Ihre neuen Quartetten O. 58. sind fast wieder eben so stark wie die letzten Op. 45. und unter Rth. 5. – kann ich solche nicht ansetzen, denn sonst wird noch die verkehrte Welt daraus, wenn wir die guten u. theuren Werke unter den Preiße die ordinairen aber theurer verkaufen sollen und was wird aus mir da ich größtentheils solche gute drucke? ich muß ohnedies schon mit ansehen wie andre von schofflen Machwerken viel absetzen und soll auch noch an Preißen zurückstehen, das wäre kein Lohn für meine Mühe und Sorgen und Streben nach dem Bessern.
Uebrigens sollen Sie bei Ihren langen Concerten auch Ihren kräftigen Arm mit verkaufen können, denn ich habe schon viele Klagen gehört, daß ein solches Concert von Ihnen zu viel Kraft verlange; ich glaube es auch denn wer hat denn solch einen Arm wie Sie? Drum haben Sie Mitleid mit den Schwächern und bedenken Sie daß der Schwächere doch auch gern etwas gutes genießen will.



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 19.09.1822. Spohr beantwortete diesen Brief am 22.11.1822.

[1] Gestrichen: „kostet“.

[2] Der Marburger Universitätsbuchhändler Johann Christian Krieger betrieb in Kassel eine Dependance (vgl. Thomas Sirges, Die Bedeutung der Leihbibliothek für die Lesekultur in Hessen-Kassel 1753-1866, Tübingen 1994, S. 19).

[3] op. 62.

[4] op. 59.

[5] op. 61.

[6] op. 55.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (15.12.2016).