Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 292 (teilweise)

Sr. Wohlgeb.
Herrn Louis Spohr
Hofkapellmeister
Cassel

Franco.
Nebst 1 Paquet
Musik. in Pappe
H.L.S.


Leipzig den 30. Augt. 1822

Werthester Freund

Ihren Wunsch zu erfüllen sende ich Ihnen hier das 1te und 3te Ihrer neuen Quartetten, das 2te kann ich nicht mitsenden weil der Stecher auf ein paar Tage verreißt ist und solches weggeschloßen hat.
Bitte – bitte – bitte, mir diese Stimmen ja sogleich wieder zu senden sobald Sie sie gespielt haben, indem solche zwar nicht von dem Schläger aber von dem Stecher noch gebraucht werden, wenigstens ist das 3te unentbehrlich, hätte ich diesen Fall gerechnet, so hätte ich mir die Stimmen abschreiben lassen, doch nun ist es zu spät; recht sehr bald erwarte ich also das 3te Quartett zurück, denn sonst werde ich bis Michaelis nicht fertig, welches mir höchst unangenehm wäre, denn nicht allein, daß dann die Versendungen zu Osthen aufhören und ich das Werk vor Ostern nicht nach dem Norden bringen könnte, sondern was ich in der Michaelismesse nicht versenden kann, kommt dann auf die Rechnungen des künftigen Jahres welche wieder erst das Jahr darauf berichtigt werden, so daß ich also beinahe 2 Jahre warten müßte, ehe ich wieder einen Erlöß für Ihre Quartetten herausbekäme und so lange läßt man das Geld nicht gern ohne Zinsen.
Sie lieber Freund scheinen, so wie viele andre, keinen rechten Begriff zu haben, was es heißt, eine gute Ausgabe von 3. Spohrschen Quertetten zu machen, in 4 bis 5. Wochen will ich solche fertig liefern, dann geben Sie mir aber nichts mehr in Verlag, will ich solche aber so gut wie mir möglich machen, so muß ich 2 bis 3. Monate dazu haben.
Bei einem solchen Werke kann man nicht mehrere Schläger zugleich anstellen, sonst würde es ein1 ungleiches Machwerk, nur ein Schläger muß solches in Arbeit nehmen und dieses braucht Zeit2 bei einem Werke wobei so viel Genauigkeit wie bei Ihren Quartetten nöthig ist (zumal da ich so etwas immer einem vorzüglichen Arbeiter gebe, und diese Art Leute, wenn sie geschickt sind, gewöhnlich auch locker sind und manchen Tag schwänzen, was man leider durch die Finger sehen muß, da gute Arbeiter in unserm Fache nicht häufig sind) Bedenken Sie ferner, daß ich von solchen Werken oft 3. Correkturen lesen lasse und wenn große Fehler vorkommen, viele Platten oft ganz neu machen laße wobei einige Wochen schnell vergehen und überhaupt, daß auf Platten gedruckte Werke ganz andre Arbeit erfordern als der Steindruck, so werden Sie es gewiß nicht saumselig finden, wenn Ihre Quartetten, die ich gegen Ende July in Arbeit gab, erst zu Michaelis fertig werden.
Mein bester Schläger, derselbe der jetzt die Quartetten hat, hat auch Ihren Faust gearbeitet und über diesem wegen dem doppelten Text freylich schwierigen Werke, vom Februar bis im July zugebracht, und nur einigemal eine pressante Kleinigkeit dazwischen gemacht – gut Ding will Weile haben und wer läuft, stolpert leicht.
Ach ich wünschte daß ich schneller und doch möglichst gut meinen Verlag liefern könnte, manchem der auf ein neues Werk wartet, würde die Zeit nicjt so lang dünken und ich könnte mir auch bis weilen einen freyen Tag machen, so aber bin ich in diesem schönen Sommer, außer den Sontagen, wieder nicht einen einzigen Tag hinter meinem Pult weggekommen und hätte doch so gern einmal eine kleine Reise gemacht.
Daß sich H. Speyer geärgert hat, die ihm dedicirten Quartetten nicht bei Ihnen gehört zu haben, daran hat er sehr unrecht gethan, denn bei seiner Nähe zu Ihnen kann er sich dieses Vergnügen späterhin leicht verschaffen und genießt inzwischen noch einige Zeit das schöne Vergnügen der Erwartung – mir kann er übrigens nichts zur Last legen, denn fertig konnten die Quartetten bis jetzt unmöglich werden und Ihre Stimmen ließ ich mir kommen um wegen der Richtigkeit recht sicher zu gehen.
Künftige Woche kommt nun der Faust in die Presse, dem Himmel sey Dank daß es endlich soweit damit ist, denn so viel Schererey hat mir lange kein Werk gemacht, erst hat mir der zwar gute aber höchst umständliche italienische Uebersetzer fast über jedes Wort einen Brief geschrieben und dann hat mich unser Musikdir. Schulze, der dieses Werk zur Correktur erhielt, mit Fragen und Bemerkungen bald tod gemacht, und diese Leutchen haben es gut gemeint und dankbar erkenne ich ihren Eifer für die gute Ausgabe dieses Werks und wünsche nur, daß3 solcher auch in dem Werke sichtbar sein möge – ich habe mein äußerstes gethan u. bin unschuldig wenn etwas in der Ausgabe nicht gut wäre, doch hoffe ich daß solche recht gut sein soll.
Entsetzlich stark ist diese Oper geworden denn sie wird an 2/2 Platten halten, wäre solche bei Artaria in Wien herausgekommen, so würde solche einen schönen Preis kosten, denn dort ist jetzt Zelmire von Rossini erschienen, in einem Klavierauszuge mit bloß italienischen Texte, weitläufig und auf ganz gewöhnliches Papier gedruckt und kostet – Rth. 10. – ! Der üblichen Taxe nach müßte ich den Faust gegen Rth. 9 – verkaufen und könnte solches mit weit mehr Recht als jener bei der Zelmire, allein ich getraue mich nicht einmal bis Rth. 8. zu gehen sondern bleibe darunter.
Es ist mir auch lieb, einmal etwas zuverläßiges wegen Dr Grosheim zu hören, ich habe mir es lange gedacht daß er so sey[n wer]de, allein Grosh. hat mich mit seinen Versicherungen [imm]er wieder irre gemacht, nun soll er mich aber nicht mehr irre machen, daß Sie dabei nicht in die entfernteste Berührung kommen, bedarf der Erwähnung nicht, ich habe schon andere Gründe um mit ihm abzubrechen; wenn sich nur jemand dort mit Musik gehörig befassen wollte, er würde gewiß gute Rechnung finden, zumal da Ihr Dortsein gewiß viel zur Musikliebhaberey beitragen wird.
Bald werde ich nun mit meinen drigensten Arbeiten zu Stande kommen und nach Michaelis Sie um die versprochenen 3. Manuscripte4 bitten, belieben Sie solche immer zurecht zu machen.
Um recht schnelle Zurücksendung des 3ten Quartetts nochmals bittend und Sie herzlichst grüßend verbleibe ich

Ihr aufrichtigster Freund
C.F. Peters



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 25.08.1822. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Peters, 19.09.1822.

[1] Hier gestrichen: „Potpourri“.

[2] Hier gestrichen: „zu“.

[3] Hier gestrichen: „sich“.

[4] Op. 59, 61 und 62 (vgl. Peters an Spohr, 20.06.1822).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (12.12.2016).