Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287[Schade, J.G.:02

Theuerster,
herzlich verehrter Freund.

Nehmen Sie nebst ihrer lieben Gattin1 meinen innigsten Dank für die mir gewordene freundschaftliche Aufnahme und für die so mannichfache Bemühung mir meinen Aufenthalt in ihrem schönen Caßel so angenehm als möglich zu machen;2 Auch ihrem guten Bruder Ferdinand meinen Dank für alle seine Aufmerksamkeit. In der ersten Nacht meines Hierseyns träumte ich ganz lebhaft, daß mein Kleiderkästchen durch den Menschen, der es zur Post bringen sollte, entwendet worden wäre, da es um den ersten Posttag nicht ankam, so war ich in besorgnis ob ich gleich eben kein Traumgläubiger bin. Einen Posttag später kam es richtig an.
Schon aus Minchens3 leztem Briefe ersahe(?) ich, daß die Erscheinung Schrebes(???)4 Ihnen unangenehm seyn möchte, ich schrieb deshalb sogleich an Minchen, um dann meine Reise zu verschieben, falls meine Ahndung gegründet wäre; Hätte der hiesige Briefträger mir den Brief von Ihnen noch Sonntag Abends abgegeben, worum ich Ihn gebeten hatte, so hätte dieße mir manches unangenehme Gefühl erspart; Gern hätte ich dann meine Reise bis jezt verschoben, da es nicht möglich war Schr. von seinem Vorsatz nach Caßel zu gehen, zurückzubringen. Gewiß werden Sie mir(?) nicht zutrauen, daß ich ihren Brief unbeachtet gelaßen haben würde; Von dem, was Sie mir, Schr. mitzutheilen vertrauten, habe ich, da er selbst seinen Abstand zu fühlen schien, nichts gesagt. Gewiß ist er ein dienstwilliger Mensch, aber voll Eigendünkel und Weisheit, die er auf eine unausstehliche Weise an Mann zu bringen sucht. Am Morgen unsrer Abreise von der Hburg(???)5 fand sich ein rechtlicher Schumacher aus Hamm, der früher in Gotha gewesen, zum dritten Reisegefährten, ich überließ diesem den Fr.6 Schr. und gieng immer ein kleines Stückchen voraus durch das herrliche Werrathal. Von Wannfried bis Mühlhausen ist die Gegend nichts weniger als angenehm und um sie ganz [???] zu machen hatte sie ein Hagelwetter heimgesucht welches fünf Stunden weit nicht einen Halm verschont hatte. In Gotha fand ich alles wie ich es verlaßen hatte; noch habe ich den Grafen7 nicht gesprochen, der, wie Sie wißen immer mobil, bald hier, bald dort ist. Vorigen Freytag hatten wir zum erstenmahl Musik beym Herzog, den meisten von uns kam ihre Invalidität sehr zu statten8, denn man fing(?) mit einem Quartett von Reicha für Flöte, Hoboe, Clarinette und Fagott an, welches einen wunderbaren Effekt hervorbrachte, dann sang Mad. und Herr Reppier(???) nebst Frl von Schlotheim ein Terzett, dann spielten die Oncles9 nebst Bärwolf und Pitschel ein Quatuor aus f von Haydn, welches mir recht gut gefiel, ferner Dem. Queck eine Arie und zum Schliuß das Sextett aus Titus vorgetragen von den 4 bereits genannten nebst H Anacker (einen guten Bass) und H. C[???]. Müller, den Sie aus frühern Zeiten kennen. Da Madame Reppier(???), in einen Tagen nach Cassel kommen wird, so erwähnen Sie ja kein Wörtchen von meiner Mittheilung. Haben Sie Rombergs Psalmodie schon? Da ich diese Gelegenheit benutzen kann, so will ich Ihnen das Werk mitsenden, können Sie bey ihrem Singverein keinen Gebrauch davon machen, so geben Sie es. Mad. R. wieder mit. Gewiß werden Sie den menschenfreundlichen Plan(?) für die Rombergischen Kinder etwas zu veranstalten, ausführen falls es Zeit und Umstände erlauben.10 Es ist wohl an manchen Orten viel geschehen, aber die Lage ist gewiß sehr geeignet(???) alles aufzubieten um den armen Waisen eine Erziehung zu geben und sie dann nicht mit leerer Hand in die Welt treten zu laßen, dann nach dem Plan des hiesigen Vereins, sollen die Intereßen für Erziehung verwendet und jedes Kind seinen Antheil bey erlangter Volljährigkeit erhalten. Wollen Sie vielleicht von einem Requiem von Mozart wovon wir bereits sprachen Gebrauch machen11, so steht es sehr zu Befehl. Die aus meinem Entwurf, meiner sämtlichen Kirchenmusiken der hiesigen Kirche zu verkaufen nicht wird, so wäre es mir sehr lieb wenn ich mehreres davon wieder verkaufen könnte, ich habe gegen 1600 Rth darauf verwendet. Außer dem Requiem habe ich die besten Werke Mozarts, Händels und Haydns ingleichen viel von Sebastian Bach. Nun, mein theuerster Freund, bitte ich Sie, ihre Gattin, Bruder und alle die sich meiner erinnern, freundlich zu grüßen, eben so Minchen, welche hoffentlich mich bald mit einem Brief erfreuen wird. Carl12 ist wohl. Leben Sie alle vergnügt und bleiben Sie in Gnaden gewogen Ihrem

eiligen(???) Schade.

Gotha
am 21 August 1822.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Spohr an Schade. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Schade an Spohr, 18.12.1822, aus dem sich noch ein derzeit verschollener Brief von Spohr an Schade erschließen lässt.

[1] Dorette Spohr.

[2] Zu Schades Aufenthalt in Kassel vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 28.07.1822.

[3] Wilhelmine Scheidler, Schwester von Dorette Spohr.

[4] Noch nicht ermittelt.

[5] „von der Hburg(???)“ über der Zeile eingefügt.

[6] Abkürzung für „Freund“.

[7] Carl Heinrich von Salisch.

[8] Herzog Friedrich trat seine Regierung 1822 bereits krank an.

[9] Carl und Friedrich Preysing waren Onkel von Dorette Spohr.

[10] Vgl. D.H., „Andreas Rombergs Tod“, in: Hesperus (1822), S. 101f.

[11] Hier gestrichen: „, wollen“.

[12] Vermutlich Carl Scheidler, jüngerer Bruder von Dorette Spohr.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.02.2018).