Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 288 und 374 (teilweise)

Leipzig den 20 Juny. 1822

Werthester Freund.

Ihre beiden freundschaftlichen vom 3. und 14. d. habe empfangen. Herrn Streicher schreibe ich nächsten Montag und werde ihm dann für Ihre Rechnung fl. 280 in 20 F[uß]1 mit übersenden, so daß Sie dieses als abgemacht betrachten können.
Zur Tilgung dieser Zahlung sind mir von H. Matthaei Rth. 150 gezahlt worden, von H. Mecchetti werde ich fl. 100 WWhg.2 kassiren lassen und wenn solches geschehen ist, Ihnen melden wie viel die kleine Auslage beträgt die ich, zur Ausgleichung jener Zahlung Ihnen in Rechnung bringe; übrigens wiederhole ein für allemal die Bitte nie solche Umstände zu machen wenn Sie von mir etwas besorgt wünschen, kann ich Ihnen mit etwas dienen, so tragen Sie mir es auf ohne zu bitten, wünschen Sie Geld, so schreiben Sie mir es nur und ich werde allemal Rath schaffen, und Umstände liebe ich unter Freunden nicht, denn es kommt mir immer vor als ob man zu des Freundes Willfährigkeit kein unbedingtes Zutrauen habe und diese Möglichkeit mag ich mir bei Ihnen nicht denken.
Für die Quartetten3 sage Ihnen Dank, zu Michaelis sollen solche erscheinen und kein Druckfehler auf dem Titel sein; wohl verdiene ich einen Vorwurf, allein auch einige Entschuldigung, wenn mir einmal so etwas passirt, Breitkopf & H machen Ihrer Titel auf Stein und haben einen besonderern Schreiber dazu und doch fallen, wie bei allen Verlagen, auch Titelfehler vor, ja vor einiger Zeit stand auf Winters Opferfest schon das ununterbrochene Opferfest, weit schlimmer bin ich nun dran denn ich habe einen Titelstecher (hier den einzigen) der bloß maschinenmäßig arbeitet und gar oft falsch sticht, ihm muß ich jeden Titel Buchstaben vor Buchstaben genau so vormalen wie er auf die Platte kommen soll und dies malen ist für mich nicht Calligraphen eine saure Arbeit, und während ich über den Buchstaben zirkle, schleicht sich oft ein Fehler ein, der mir jedoch bei der Correktur selten entschlüpft, weiß der Kukuk daß gerade bei Ihren Werken ein solcher schon mehreremale entgangen ist, denn sonst, weiß ich nur höchst seltene Fälle dieser Art und auch nur zu Zeiten wie in der Messe wo es eilig zugeht und man den Kopf gar zu voll hat. Bei dem Clarinette Concert habe ich ein Femininum im Kopfe gehabt, doch ist der Fehler nun schon verbessert, auch dürfen Sie nur das überflüßige E. An Seconde u. composée ausradiren, bei den Stimmen zur Messe hat es aber mein alter Stecher verpumpelt4, denn auf meiner Vorschrift steht Solo-Stimme, künftig werde ich immer mehr aufpassen u. soll so leicht nicht wieder vorfallen, es ist gar schlimm, wenn man bei so sehr mannigfaltigen Arbeiten wie die meinigen auch alles selbst besorgen muss.
Daß ich Ihr Quintett mit Op. 52. u. 53. bezeichne war durchaus nothwendig, denn5 meine Händler führen auf ihren Bestellungen nie einen genauen Titel sondern nur das Opus an, dies ist eine gebräuchlige Abkürzung wenn nun also Spohr Quintett Op. 52. verlangt worden wäre, was gewiß gar häufig geschehen wäre, so hätte ich nie gewußt welches ich senden sollte und viel Unannehmlichkeiten gehabt, ich konnte mir also nicht anders helfen, damit aber niemand glaube, daß es zweyerley Werke wären, so habe ich unter jede Ausgabe die Anmerkung drucken lassen daß das Werk mit doppelter Begleitung sey, folglich kann sich niemnd trügen, wäre das Werk nicht zu stark, so hätte ich bloß eine Ausgabe gemacht, so aber hätten die Liebhaber der einen Begleitung raisonnirt6, wenn sie die andere auch nicht hätten kaufen müßen, es sind dies Fälle wo man sich helfen muß sogut man kann.
Das Clarinette Concert steht mit O. 53 im Cataloge weil dieser eher als das Werk fertig wurde, erst als ich dessen Titel machte bemerkte ich das Versehen und um dies Opus nicht doppelt zu haben, mußte ich auf Opus 57. übergehen, wenn so etwas einmal vorkommt, müßen Sie es dem Verleger schon zu gute halten, denn in solch einer Messe wo man an 40 Titel zu machen hat und preßirt ist, möchte man selbst zum Opus werden.
Die gesandten Quartette erhalten Opus 58. und nun soll es hübsch in Ordnung fortgehen.
Die neuen Manuscripte 1) Variat. üb. irl. Melodien 2) Das SoloQuartett H moll7 3) Das Concert in A Dur, welches Sie mir ablassen wollen, nehme ich dankbar an, über das Honnorar dafür können Sie verfügen wann Sie wollen, allein da Sie die Manuscripte nur einfach besitzen, so behalten Sie solche dort bis ich Sie darum bitte, welches im Herbst geschehen wird, denn bis Michaelis Messe würde doch wohl nichts davon fertig werden, da ich bis dahin noch gar viel zu thun habe, wünschen Sie es aber, nun so muß es auch möglich werden, dieser Gegenstand wäre also somit in Ordnung.
Nun habe ich noch zwei Wünsche, erstlich möchte ich den Text zu Ihrem Faust haben (wovon der erste Akt schon in Correktur u. der zweite in Arbeit ist) mein Correkteur glaubt diesen Text beim corrigen benutzen zu können, wenn Sie mir also auf kurze Zeit das Textbuch ablassen wollen, so wird es mir sehr lieb und vielleicht auch zum besten der Ausgabe sein.
Zweitens kann ich die neuen Quartette nicht aus der Partitur stechen lassen, sondern dieselben müssen erst abgeschrieben werden, auch ist es fast unvermeidlich daß der Copist nicht Fehler machen solle, wodurch die Correktur sehr erschwert und ungewiß wird, da der Correkteur die Partitur zwar zur Hand hat aber doch nach den Stimmen corrigirt u. Kleinigkeiten leicht übersehen kann, könnten Sie mir daher nicht Ihre eignen Stimmen zum Stich mittheilen, diese haben Sie gespielt u. sind gewiß richtig, Sie sollten solche bald wieder erhalten; können Sie mir diesen wegen der Richtigkeit zu meiner Beruhigung dienenden Wunsch erfüllen, so werden Sie mich verbinden, auch bitte, diese Stimmen dann mit der Post mir zu senden, in jedem Falle bitte wegen dieser u. dem Textbuche um eine kurze Antwort.
Leben Sie recht wohl und grüßen Sie alle von

Ihrem aufrichtigen Freund
C.F. Peters



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 03.06.1822 und 14.06.1822. Spohr beantwortete diesen Brief am 29.06.1820.

[1] Der 20 fl. Fuß, der sogenannte Konventionsfuß, war der in Österreich gültige Münzfuß. Neben dem für das preußische Courant gültigen 18 fl. Fuß war er der gängigste Münzfuß. Der Münzfuß legte offiziell fest, wie viele Münzen einer Sorte aus einer Gewichtseinheit des betreffenden Edelmetalls, hier Silbers, zu prägen waren, bestimmte also den Feingehalt der Münzen.

[2] Abkürzung für Wiener Währung.

[3] Op. 58.

[4] Vgl. Jacob und Wilhelm Grimm, Deutsches Wörterbuch, Bd. 25, Sp. 978 [online-Fassung].

[5] Hier gestrichen: „die“.

[6] „raisonnieren“ = hier wohl urteilen (vgl. John Oswald, Vollständiges Fremdwörterbuch, Koblenz 1854, S. 258.

[7] Op. 61.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (12.12.2016).