Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287
Druck: Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 169, 221, 233 und 281 (teilweise)

Leipzig den 29. May 1822.

Werthester Freund!

Entschuldigen Sie mit meinen zeitherigen1 Messearbeiten, daß ich Ihnen so lange nicht geschrieben habe, erst jetzt erhalte ich wieder Luft, um manches versäumte nachzuholen.
Hierbey sende Ihnen Ihr Potpourri und ClarinettConcert und wünsche daß die Ausgaben zu Ihrer Zufriedenheit sein mögen.
Es ist schade daß das Concert so sehr groß ist, weil ein hoher Preiß den Absatz, der bei solchen Concerten ohnehin nicht groß ist, noch erschwert, nach der Bogenzahl sollte dies Concert an Rth. 4- kosten, ich habe es etwas wohlfeiler angesetzt, doch noch billiger konnte ich es nicht geben, wäre es ein Werk für Pianoforte etc. so hätte ich es gethan.
Vom Faust ist der 1te Akt bis zum abdrucken fertig und der 2te kommt nun in Arbeit, so daß Sie dies Werk in diesem Sommer unfehlbar erhalten, hätte die italienische Uebersetzung, welche ein zu gewissenhafter Uebersetzer besorgt, nicht so lange aufgehalten, so wäre es schon zur jetzigen Messe fertig gewesen, allein dafür wird nun auch das Werk gewinnen, weil es nun mancher kennen lernt wo ich nicht hinsenden darf was bloß deutschen Text hat, ich habe für die Uebersetzung Rth. 80.- sächsisch bezahlt, Sie sehen daraus daß ich nicht intereßirt handelte, sondern zur Ehre des Werks einen Uebersetzer wählte so gut als ich ihn finden konnte.
Ihre neuen Quartetten belieben Sie mir nun zu übermachen denn in diesem Sommer müssen solche auch erscheinen. Haben Sie sonst auch etwas neues, so senden Sie es auch mit und wenn Sie im Concerte wieder einmal von einem Verleger gezupft und um ein neues Werk gebeten werden, so wie in Frankfurt von H. André, so schlagen Sie es nur immer gleich kurz ab und sagen Sie, daß der Peters in Leipzig alles bekäme. Es haben mir in jetziger Messe mehrere ihre Verwunderung bezeugt, daß Ihr neuestes Concert wo anders als bei mir erschien2 und die Leute werden glauben, daß ich mit Ihnen zerfallen sey, und werden(?) sie auch durch manche neue Werke vom Gegentheil überwiesen, so sollen sie doch auch nicht für den Augenblick so etwas glauben.
Daß mir, zur Zeit als ich Ihnen das Honorar für die Quartetten sandte und Ihnen etwas leidenschaftlich schrieb, von einem Künstler der Kopf recht warm gemacht worden war, ist ganz richtig, jener mit Ihnen recht wohl bekannte Künstler hatte sich so schlecht gegen mich benommen, daß bei allen denen ich es zeigte, nur eine Stimme für mich und alle gegen ihn waren und ich den Musikhandel recht satt hatte, wie konnten aber Sie werther Freund, auf den Gedanken kommen daß ich meinen Eifer darüber an Ihnen mit ausgelassen habe – einer solchen Schwäche und Undelikatesse werden Sie doch mich nicht fähig halten?
Wenn ich mich damals gegen Sie ereiferte, so hatte es einen Grund welcher dato noch immer derselbe ist, allein Sie mir schreiben, daß Sie solchen nicht begreifen könnten, so will ich auch kein Wort weiter darüber verliehren, Sie aber sahen mir eben so aus als ob Sie mich nicht verstanden hätten _ _ _
Sehr lieb ist es mir, aus Ihrer jetzigen Zuschrift zu ersehen, daß ich Hr. Probst nicht unrecht gethan habe, mit größter Artigkeit habe ich ihm das nöthige wegen der Quartetten mitgetheilt und muß gestehen, daß Hr. Probst natürlich etwas empfindlich darüber war, aber doch nicht anzüglich oder beleidigend wie es so gar oft der Fall ist, wenn man ein Manuscript zurückschickt, auch das scheint ihn verdroßen zu haben, daß ich seine Quartette habe probiren lassen (ohngeachtet kein Mensch deren Autor erfuhr) er zieht ein bischen auf die Leipziger Quartett Spieler loß und meynt, daß wenn ein Spohr und Fried. Schneider seine Quartette gut gefunden hätten, ein Leipziger nicht erst darüber zu entscheiden brauche und er mir sie nie gesandt haben würde, wenn er gewußt hätte, daß ich sie auch probiren lasse, indeß auch hierüber habe ich ihn zu beruhigen gesucht und ihm versichert, was auch wirklich wahr ist, daß ich nahmlich außer Sachen von Spohr, Romberg, Hummel etc. pp. kein Werk mehr drucke ohne es gehört zu haben. Wenn solche Männer etwas schreiben, so bürgt mir deren Nahmen und schriebe auch ein solcher etwas schlechtes, so würde ich bloß den Schaden haben allein der Tadel fiele auf jene, denn Werke von solchen Künstlern kann ich nicht erst rezensiren lassen, allein wer noch keinen solchen Nahmen hat von dem muß alles erst probirt werden und ich selbst künftig alles hören, denn wenn ich auch kein Sachverständiger bin, so habe ich doch gesunde Ohren die auch schon manches gute gehört haben u. kann, aus dem Geschäfte, den Geschmack des Publikums etwas beurtheilen; freylich werden sich die Vorspieler vielleicht darüber lustig machen, schadet aber nichts, ich beharre auf meinem Kopfe und die Folge wird schon lehren wie weit ich damit komme.
Daß es Ihnen in Ihrer jetzigen Lage gefällt, freut mich ungemein und herzlichst wünsche ich Ihnen ununterbrochene Zufriedenheit, damit Sie hübsch ruhig sitzen bleiben und nicht wieder in die Welt ziehen, denn ob es gleich für den Verleger vortheilhafter ist, wenn der Künstler herumreißt, so will
ich doch lieber daß Sie bloß Ausflüge machen übrigens einen festen Wohnort haben mögen.
Ihrer lieben Frau lasse ich und die meinige uns bestens empfehlen und freuen uns derer freundschaftlichen Erinnerung; meine Kleine gedeiht auch hübsch und hat heute morgen einen weitern Schritt gethan, indem sie entwöhnt worden ist ein Schritt der den Müttern immer intereßant und auch mich sehr freut, indem ich dadurch das fatalste aller Hausgeräte nahmlich die Amme loß werde.
Vielmals grüßt Sie

Ihr aufrichtiger Freund
C.F. Peters



Dieser Brief ist die Antwort auf Spohr an Peters, 13.05.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Spohr an Peters, 03.06.1822.

[1] Alte Form für „seitherig” (vgl. Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm, Bd. 31, Sp. 581, [Online-Version]).

[2] Zu Peters' Missfallen ließ Spohr sein Violinkonzert op. 55 bei André verlegen (vgl. Louis Spohr an Dorette Spohr, 09.01.1822).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (12.12.2016).