Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,37

Cassel den 22sten
Aprill 22.

Herzlich geliebter Freund,

Ihre Lieder habe ich erhalten und mit großer Freude wiederholt durchgesehen und durchgesungen. Ich wüsste durchaus nichts daran auszusetzen, als daß nach meiner Ansicht bey ein paar Stellen der TextwiederholungenK1 zu viel sind. Mit Freuden würde ich sie nun sogleich nach Leipzig schicken, wäre mir nicht mit Peters etwas geschehen, was ich Ihnen sogleich erzählen will. Bey meiner Durchreise durch Dessau im Herbst hörte ich dort neue Quartetten von einem ehemaligen Schüler von mir, dem Concertmstr. Probst. Sie gefielen mir und ich ließ mich daher leicht bereden, sie Peters zum Verlag anzutragen. Er ließ sie auf meine Empfehlung sogleich kommen und ich glaubte sie längst gestochen. Kürzlich schreibt er mir ein weites und breitesK2 über die Quartetten;1 er habe sie von DilettantenK3 und Künstlern executiren lassen, sie hätten aber weder diesen noch jenen gefallen wollen, und er wisse sich nicht anders zu helfen, er müßte sie Herrn Probst zurückschicken, um so mehr da er jetzt so viele andere Manuscripte vorräthig liegen habe. Darüber sind wir nun ein wenig an einander gekommen und Sie sehen wohl, daß ich ihm jetzt nicht gern etwas schicken mögte.
Sollten sie aber vorzugsweise Wünschen ihre Lieder von ihm und nicht von Simrock oder André verlegt zu sehen, so schicken Sie ihm doch selbst geradezu hin und berufen Sie sich auf mich. Nur ich mögte ihm vor der Hand nicht gern etwas zuschicken; es ist mir aber im höchsten Grade schmerzlich Ihnen eine so geringe Gefälligkeit nicht sogleich erzeigen zu können.
Recht sehr freue ich mich auf Ihren Besuch. Dann wollen wir in der paradisischen Umgebung von Cassel recht umherstreifen und am Abend fleißig Musik machen.
Meine Oper heißt: Jessonda. Sie spielt in Indien. Sie sollen sie lesen, wenn Sie hieher kommen. Die Dichtung wird Ihnen gefallen. In der Form der Musikstücke lasse ich jetzt noch allerley ändern.
Meine Frau und Kinder grüßen Sie und die lieben Ihrigen auf das herzlichste.
Mit unveränderter Liebe und Zuneigung

der Ihrige
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: André, Johann Anton
Peters, Carl Friedrich
Simrock, Nikolaus
Erwähnte Kompositionen: Probst, Carl : Quartette, Vl 1 2 Va Vc
Speyer, Wilhelm : Lieder, Singst Kl, op. 13
Spohr, Louis : Jessonda
Erwähnte Orte: Dessau
Kassel
Leipzig
Erwähnte Institutionen: André <Offenbach>
Peters <Leipzig>
Simrock <Bonn>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822042202

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Speyer an Spohr, 13.04.1822. Speyers Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[K1] [Korrektur der Lesung „Taktwiederholungen” zu „Textwiederholungen” nach einem freundlichen Hinweis von Wolfgang Henniger am 28.10.2016.]

[K2] [Korrektur der Lesung „weiter und breiter” zu „ein weites und breites” nach einem freundlichen Hinweis von Wolfgang Henniger am 28.10.2016.]

[1] Vgl. Carl Friedrich Peters an Spohr, 20.03.1822; zum Kontext siehe auch Axel Beer, Musik zwischen Komponist, Verlag und Publikum. Die Rahmenbedingungen des Musikschaffens in Deutschland im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, Tutzing 2000, S. 231.

[K3] [Korrektur des Tippfehlers „Diletanten” zu „Dilettanten” nach einem freundlichen Hinweis von Wolfgang Henniger am 28.10.2016.]

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (15.02.2016).