Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,35

Herrn
Herrn Wilhelm Speyer
Wohlgeb
Offenbach a/m

franco.


Cassel den 11ten März
22.

Geliebter Freund,

Ihrem Wunsche gemäß melde ich Ihnen sogleich den richtigen Empfang der f 1121, 521 x1 und bescheinige zugleich hiermit: 270 fl. für das an Herrn André verkaufte Concert – 281 fl. Interessen vom 1sten Juli 22 und 27 fl 51 x für die von Ihnen einkassirten 60 fr2 richtig empfangen zu haben. Die Interessen haben Sie fast zu gewissenhaft auch von den 60 fr. bewahret. Nehmen Sie meinen herzlichsten Dank für ihre gütige Besorgung, so wie dafür, daß sie haben meine Bitte stattfinden lassen.
Übrigens ist Ihr Brief ein wenig magerer ausgefallen und enthält auch nicht eine einzige musikalische Neuigkeit. Auch habe ich sehr gehofft auf die Zusage Ihres Beschluss für das Frühjahr darin zu finden! Ich sehne mich gar zu sehr Sie einmal hier zu sehen und verspreche Ihnen einen an Kunst- und Naturgenuß reichen Aufenthalt.
Nun wieder ein Bitte, aber werden Sie bitte nicht ungehalten! Ich mögte gern die Briefe und Musikalien, die Sie von mir in Verwahrung haben, bald möglichst überschickt erhalten, weil ich einiges darin nothwendig gebrauche. Haben Sie wohl die Güte es mir mit Frachtgelegenheit zuzuschicken? Ich kann mich nicht einmal besinnen ob ich Ihnen meine Koffer dazu gegeben haben und ob es so gepackt ist, daß es verschickt werden kann. Aber nochmals, seyen Sie nicht ungehalten daß ich Sie so plage.
Ich habe jetzt täglich Proben von Zemire und Azor. Die Oper wird vortrefflich gehen und ich glaube nicht, daß irgend ein Theater besser besetzen kann wie wir in diesem Augenblick. Zemire = Dem. Canzi (Sie wird die Rolle warscheinlich auch in Frankfurt geben)3 die Schwestern Dem. Dietrich und Dem. Mayer (herrliche Stimmen!) Azor = Herr Gerstäcker Sander = Herr Hauser (ein sehr gebildeter Sänger der mir die Parthie erst lieb macht) und Ali, Herr List. (der seine Rolle wenigstens besser singt als Leisering.4 Die erste Aufführung wird den 24sten dieses seyn.
Meine Frau erwarte ich nun in einigen Tagen. Meine Schwägerin5 aus Gotha wird sie begleiten und künftig bey uns wohnen. Mein Bruder der bis jetzt in der Berliner Chapelle war, hat hier Engagement erhalten und ist von Berlin über Dresden gereist um meine Frau auf der Reise zu beschützen. Außer ihm werden binnen kurzem noch 6 ausgezeichnete Künstler zur Verstärkung unserer Chapelle hier eintreffen und dann unser Orchester es mit jedem anderen aufnehmen können.
Die herzlichsten Grüße an Ihre liebe[n Ihrigen]
Mit unwandelbarer Freundschaft un[d Liebe]
stets

der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Speyers Antwortbrief ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] f bzw. fl. = Abk. f. Florin, x = Abk. f. Kreuzer.

[2] Vgl. Spohr an Speyer, 28.02.1821.

[3] Vgl. „Bitte”, in: Frankfurter Ober Postamts Zeitung 03.07.1822, nicht paginiert. Offensichtlich trat Canzi in Frankfurt jedoch nicht als Zemire auf (vgl. „Frankfurt. Den 25. May 1822”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 24 (1822), Sp. 415f. und 423f.).

[4] Leißring verkörperte in der Frankfurter Zemire und Azor-Inszenierung den Ali (Allgemeiner deutscher Theater-Almanach auf das Jahr 1822, hrsg. v. Aug[ust] Klingemann, Braunschweig 1822, S. 399).

[5] Wilhelmine Scheidler.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (12.02.2016).