Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 58ff.

Dresden, den 24ten Febr. 22

Geliebter, teurer Louis!

Meine letzten Briefe vom 13ten und 17ten Febr.1 wirst Du hoffentlich erhalten haben, wogegen ich Dir auch den Empfang der Deinigen bescheinige. Schon zu nahe dachte ich mir das Glück Dich wiederzusehen – schon zu sehr hatte ich mich der Freude überlassen, als daß mich Ferdinands Antwort auf meine Aufforderung „doch ja sobald wie möglich zu kommen” nicht wieder ganz hätte niederschlagen sollen. Er schreibt nämllich, daß er schon vor längerer Zeit um Urlaub vom 15ten März an angehalten, aber bis in diesem Augenblick keine Antwort darauf erhalten haben können. Der Stellvertreter, den er hatte stellen worden, ist nicht angenommen worden; nun hat er zwar einen andern verschafft, schreibt aber, daß dem ohngeachtet der Termin des Urlaubs nicht mehr abzuändern sei und ich mich in Geduld fassen solle! Er hofft zwar noch, daß er sich mit Hilfe seiner Kollegen, die unterdessen seinen Dienst versehen, wohl 8 Tage früher wird losmachen können, jedoch ist dies zu ungewiß und für meine Ungeduld diese Ungewißheit ganz unerträglich. Was soll ich nun anfangen? Rate mir – bestimme mir, was ich tun soll, aber vergiß dabei nur nicht meine Sehnsucht nach Dir! Deine Aufträge habe ich besorgt; den Potpourri an Peters geschickt und ihn in ein paar Zeilen2 gebeten, mir in Leipzig eine Abschrift davon besorgen zu lassen, die ich bei meiner Durchreise mitnehmen könnte, um denselben nicht so lange entbehren zu müssen; denn meines Wissens ist die Messe noch nicht einmal erschienen, so möchte es wohl ziemlich lange dauern, bis er zu haben wäre.
Das Buch an Faust nebst Einlage habe ich am vorigen Mittwoch unter der mir gegebenen Adresse nach Braunschweig geschickt.
Gestern rief mich die kleine Therese mit einem großen Freudengeschrei ans Fenster und sagte: Mutter, Mutter, der Träg-Briefer geht da, gewiß bekömmst Du wieder von Papa Lu einen Brief. - Sie spricht sehr oft von der schönen Tuchnadel3, die Du hast geschenkt bekommen; und indem sie hofft, daß Du sie ihr zuweilen borgen wirst, äußerte sie heute den Wunsch, daß Du ihr ein ähnliches Bauchschloß dazu kaufen möchtest. Durch Reblacks bekamen ich heute ein paar Gothaer Würste von Schaden geschickt. Auf der Adresse stand: Morgen- und Abendzeitvertreib für Mad. und Demois. Spohr. -
Ich werde nun bald anfangen die Koffer zu packen, den Wagen untersuchen zu lassen und alles einzurichten, wie Du befohlen. Hast Du schon Zeit gehabt, nach Wien wegen des Pianoforte zu schreiben? Du armer Junge hast gewiß recht viel zu tun! In Gedanken bin ich immer bei Dir – wäre ich es nur erst wieder in der Wirklichkeit! Mad. Geyer sagte heute noch zu mir: „Seitdem Ihr Mann fort ist, kommen Sie mir gerade vor wie ein Fisch auf dem Trockenen. Spohr, merke ich wohl, ist Ihr Element, ohne welches Sie nicht leben können” und wahrhaftig sie hat Recht. -
Ida behauptete gestern, dem Polen4 begegnet zu sein. Soll ich vielleicht, wenn er wirklich noch hier ist, einen Versuch machen, das Geld zu bekommen? Soll ich auch Hennemüllers vor meiner Abreise die Schuld mahnen lassen oder nicht?
Mit Sehnsucht hoffe, übermorgen wieder einen Brief von Dir zu bekommen. Leb wohl, geliebter Louis. Die Kinder grüßen Dich herzlich. In Gedanken umarmt Dich

Deine Dorette.

Kannst Du mir nicht genau sagen, wann eigentlich in Kassel die Messe anfängt und wie lange sie dauert?

Autor(en): Spohr, Dorette
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Geyer, Johanna
Hennemüller
Peters, Carl Friedrich
Reblack
Schade, Johann Gottfried
Spohr, Therese
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Potpourris, Vl Kl, op. 56
Erwähnte Orte: Dresden
Wien
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Braunschweig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822022430

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Louis Spohr an Dorette Spohr, 14.02.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Louis Spohr an Dorette Spohr, 23.02.1822. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Louis Spohr an Dorette Spohr, 12.06.1824.

[1] Dorette Spohrs vorige Briefe sind auf den 10. und 16.02.1822 datiert. Die Diskrepanz zwischen diesen Daten zu den hier gegebenen 13. und 17.02. mag mehrere Gründe haben: Es könnte sich um Schreib- oder Erinnerungsfehler Dorette Spohrs handeln, einen Transkriptionsfehler von Göthel oder Druckfehler. Dagegen erscheint unwahrscheinlich, dass die in diesem Brief gegebenen Daten stimmen und dafür die betreffenden Briefe selbst mit falschem Datum überliefert sind. Zumindest bestätigt Louis Spohr in seinem Brief vom 23.02.1822, er habe Dorettes Brief vom 16.02.1822 erhalten. Eine weitere Erklärung für die unterschiedlichen Briefdaten könnte sein, dass Dorette Spohr in diesem Brief nicht das Datum der Niederschrift wiedergibt, sondern sich selbst notiert hatte, wann die Briefe bei der Post aufgegeben worden waren. Dass Dorette den Brief vom 10. drei Tage liegen ließ, erscheint jedoch unwahrscheinlich.

[2] Vgl. Dorette Spohr an Carl Friedrich Peters, 20.02.1822.

[3] Vgl. Louis Spohr an Dorette Spohr, 12.02.1822.

[4] Noch nicht ermittelt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (04.01.2017).