Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 56ff.

Kassel, den 23. Februar 22

Geliebte Herzensseele,

Dein Brief vom 16ten hat mich unendlich glücklich gemacht; ich habe ihn vor Freuden geküßt. Verbanne alle Sorgen, ich habe schon alles vor Empfang Deines Briefes überlegt gehabt. Ich besitze schon lange ein Piano und werde Emilie1 jeden Tag wenigstens eine Stunde singen lassen. Des Vormittags habe ich zwar jeden Tag Probe, die Nachmittage sollen aber ganz Euch gehören und die meisten Abende habe ich auch frei. - Wir werden zwar enge wohnen, ich habe aber eine solche Menge von Kommoden und Schränken, daß wir die Sachen doch in Ordnung haben können. Das Essen wollen wir uns aus dem Speisehause kommen lassen; da nun durch Euer früheres Kommen in Dresden mancherlei und in Gotha ebenfalls gespart wird, so wird uns dieser Monat hier vereint nicht mehr kosten, als wenn wir getrennt blieben. Und wenn er auch 10mal so viel kostete, so würde ich die Freude Euch wiederzuhaben nicht zu teuer bezahlen. Jetzt sehe ich, daß ich den Bogen falsch gelegt habe und werde mich wohl müssen auslachen lassen, denn ich habe wirklich nicht Zeit, noch einmal von neuem anzufangen. -
An Ferdinand habe ich vor 6-8 Tagen geschrieben2, ihn gebeten, seinen Urlaub um 14 Tage früher zu nehmen und spätestens den 4-5ten März in Dresden einzutreffen. Dann reise nur sobald wie möglich ab. Vom 12ten an soll hier alles zu Euern Empfang bereit sein. Früher kann ich das andere Zimmer nicht bekommen.
Du wirst nun, da Du das Piano bezahlt bekommen hast, mit dem Gelde reichen, habe daher die Güte, Herrn Gehe sein Honorar3 auszuzahlen, auch wenn er noch nicht fertig sein sollte. Mache ihm aber die Vollendung recht eilig, sage doch Hauptmann, daß ich von Frankfurt ein Opernsujet4 für ihn schicken ließe, was mir als sehr vorzüglich angepriesen worden sei; ferner, daß ich nun die Aussicht habe, binnen kurzen das Engagement aller der Künstler, die ich für die hiesige Kapelle vorgeschlagen habe, vom Kurfürsten genehmigt zu sehen und daß ich ihm dann gleich schreiben würde.
Wenn ich rechne, daß Du diesen Brief am 2ten März bekommen wirst und am 6ten, 7ten abreisest, so sehe ich, daß es wohl der letzte sein wird, den ich Dir nach Dresden schreiben kann. In Gotha sollst Du aber noch einen vorfinden. -
Von Peters habe ich einen Brief, in dem er gleich einen Wechsel von 300 Rth. für die neuen Quartetten eingelegt hat. Er zankt sich sehr mit mir, daß ich ihn nochmals angefragt habe, ob er sie für diese Summe haben wolle.5 Der Wechsel ist aber in Frankfurt zahlbar und ich muß ihn erst an Speyer schicken. Dies gibt mir aber die beste Gelegenheit, von diesem die Zinsen und das André'sche Geld zugleich mitzuverlangen.6 - Da Du nun in Leipzig gar keine Geschäfte hast, so würde ich in Deiner Stelle gerade durchreisen, damit Du den lästigen Visiten und den Aufforderungen, Emilien singen zu lassen entgehest. Ich glaube, Du wirst Deine Reise am besten einrichten, wenn Du den ersten Tag bis Oschatz, den 2ten bis Weißenfels, den 3ten bis Erfurt, den 4ten und 5ten in Gotha, den 6ten soweit wie möglich hieher gehst und am 7ten mittags hier bist. - Von Gotha aus oder vielleicht auch noch aus einem frühern Nachtlager mußt Du mir den Tag Eurer Ankunft hier genau bestimmen, weil ich mir ohnmöglich die Freude versagen kann, Euch im Wagen einige Stunden von hier entgegenzureisen.
Du hast doch das Buch von Faust nach Braunschweig und den Potpourri an Peters gesandt?
Ich muß schließen. Noch 14 Tage und ich habe Dich wieder, Du gutes, liebes Herzensweib! - Laß den Wagen vor der Abreise genau untersuchen und bepackt Euch nicht zu schwer; soviel wie möglich im Koffer mit Fracht. Lebe wohl. Den Kindern die herzlichsten Grüße. Schnoddel küsse 1000mal.

Dein Louis.



Dieser Brief ist die Antwort auf Dorette Spohr an Louis Spohr, 16.02.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Dorette Spohr an Louis Spohr, 24.02.1822.

[1] Emilie Spohr, später verheiratete Zahn.

[2] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[3] Für das Libretto zu Jessonda.

[4] Noch nicht ermittelt. Hauptmanns einzige Oper Mathilde (UA 1826) ist wohl nicht gemeint, da das Libretto von der Wienerin Caroline Pichler stammt.

[5] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[6] Vgl. Spohr an Wilhelm Speyer, 27.02.1822.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.01.2017).