Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 49-52

Kassel, den 14ten Februar 22

Herzlich geliebtes Weibchen!

Meinen Brief von vorgestern wirst Du nun schon in Händen haben und meinen Wunsch, daß Ihr früher zu mir kommen wollet, darin ausgesprochen gefunden haben. Der Gedanke ist mir nun schon so lieb geworden, daß ich untröstlich sein würde, wenn Du es nicht möglich machen könntest. Solltest du bei Empfang dieses Briefes noch nicht an Ferdinand geschrieben haben, so tue es doch gleich. Schreibe ihm, er möge vom 1. März an Urlaub nehmen und alles in Berlin so einrichten, daß er nicht wieder zurückzukehren brauche. Daß er dies geheim halten muß für den Fall, daß hier wider Vermuten aus seinem Engagement nichts würde, versteht sich von selbst. Trifft er dann am 3-4ten in Dresden ein, so rechne ich, daß Du den 8ten etwa abreisest und noch vor Mitte März hier ankämst. Welche Freude wird das sein! - Die Idee, daß Hauptmann dich begleiten sollte, habe ich aufgegeben, weil ich zweifle, daß ich sein und der übrigen Künstler Engagement so schnell zustande bringe, als ich anfangs hoffte. Die Sache steht so. Wir haben dem Kurfürsten vorgeschlagen, noch 7 ausgezeichnete Künstler für die neu zu errichtende Kapelle zu engagieren, 2 Geiger, 1 Oboisten, 1 Klarinettisten, 1 Fagottisten und 2 Hornisten, und dafür 7 der schlechtesten Musiker von der Garde, die jetzt im Orchester mitwirken, aus diesem zu entlassen. Nun fürchtet er, daß diese Leute, wenn sie einen Teil ihrer Gage verlieren, entweder in große Not kommen oder ihm davongehen, so daß alsdann seine Regimentsmusik zerrissen werde. Er will daher nicht, daß diese Leute ihre bisherige Zulage aus der Theaterkasse verlieren sollen. Die Intendanz hat nun vorgeschlagen, sie nach dem Engagement der 7 neuen Künstler beizubehalten und sie nur zu gebrauchen, wenn jemand krank oder verreiset, oder wenn Musik auf dem Theater zu machen sei. Dies würde dann freilich 900 bis 1000 Rth. jährlich mehr kosten. Die Intendanz zweifelt nicht, daß dieser Vorschlag angenommen werden wird, da der Kurfürst schon früher das Engagement von neuen Mitgliedern genehmigt hat. Sobald wir seine Zustimmung haben, kann ich mit sämtlichen 7 Künstlern abschließen, indem ich schon mit allen über die Bedingungen des Engagements unterhandelt habe. Habe die Güte, das Vorstehende Hauptmann und Ferdinand mitzuteilen.
Nun noch einen Auftrag. Das Theater in Braunschweig will meinen Faust haben und hat im Sinn, ihn mit lauter neuen Dekorationen und großem Pomp in Szene zu setzen. Sie haben nach meinen Bedingungen gefragt, zugleich aber auch das Buch sogleich zu haben gewünscht, damit die Maler und der Maschinist zu arbeiten anfangen können.1 Ich habe Ihnen gestern geantwortet und 18 Dukaten verlangt, wenn sie dort Buch und Partitur auf ihre Kosten abschreiben lassen.2 Nun bitte ich dich, das Buch vom Faust mit erster Post unfrankiert an Herrn Dr. Klingemann, Direktor des Theaters in Braunschweig zu schicken. Es wird noch bei Herrn Gehe liegen, dem ich es gebracht habe. Sorge, daß auch die Einlage (die Arie von Döring, die ich in Frankfurt dazu komponiert habe) mitkomme. Sie lag im Buche, wie ich es Herrn Gehe brachte.
Schreibe mir nun bald, wie Du es mit der Reise zu machen gedenkst; ob Du mit Deinem Geld bis Leipzig reisen kannst oder ob Peters Dir noch welches nach Dresden schicken soll. In diesem Fall müßtest Du ihm schreiben. Ich habe ihm die Quartetten für 300 Rth. angeboten und zur Bedingung gemacht, daß er sie Dir bei Deiner Durchreise auszahle.3 - Wie wirst Du es mit dem Piano machen? Schicke ja so viel wie möglich von Euerem Gepäck mit Fracht, daß Ihr nicht zu schwer beladen seid. Laßt den Wagen zeitig untersuchen, damit Ihr unterwegs nichts zerbrecht und aufgehalten werdet. - Bedenke auch, daß du Minen4 mit ihrem Gepäck noch einnehmen mußt. Schicke die Koffer so früh wie möglich ab, damit wir hier nicht zu lange darauf zu warten brauchen. Lebe wohl, Du Herzensseele. Wie freue ich mich auf Euch!

Dein Louis

Autor(en):
Adressat(en): Spohr, Dorette
Erwähnte Personen: Gehe, Eduard
Hauptmann, Moritz
Klingemann, August
Peters, Carl Friedrich
Spohr, Ferdinand
Wilhelm II. Hessen-Kassel, Kurfürst
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Quartette, V 1 2 Va Vc, op. 58
Erwähnte Orte: Braunschweig
Kassel
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Hoftheater <Braunschweig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822021400

Spohr



Dieser Brief folgt auf Louis Spohr an Dorette Spohr, 12.02.1822. Möglicherweise ist dieser Brief die Antwort auf Dorette Spohr an Louis Spohr, 10.02.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Dorette Spohr an Louis Spohr, 16.02.1822.

[1] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[2] Vgl. Spohr an das Nationaltheater in Braunschweig, 13.02.1822.

[3] Vgl. Spohr an Carl Friedrich Peters, 12.02.1822.

[4] Dorette Spohrs Schwester Wilhelmine Scheidler.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.01.2017).