Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 44ff.

Dresden, d. 10ten Febr. 1822

Mein geliebter teurer Louis.

Deinem Scharfblick wird es nicht entgangen sein, was der leidenschaftlichen Stimmung, in welcher mein letzter Brief1 geschrieben war, zum Grunde lag. Ich erleichterte mein Herz gleich nach Empfang Deiner beiden Briefe, die ich in gleicher Zeit erhielt. Heilig kann ich Dir versichern, daß ich den meinigen, bevor ich ihn den andern Morgen zur Post schickte, nicht einmal wieder überlesen habe. Tausend Zweifel bringen mich aber um alle meine Fassung: Erstlich, ob irgend etwas darin war, was Dich kränken oder beleidigen könnte – ferner die Ungewißheit, ob Du mir verziehen oder nicht – ob ich nicht alle meine Befürchtungen erst dadurch zur Reife gebracht u.d.m. - Betrachte mich jetzt wie eine Kranke, der man etwas zugute halten muß. Komme ich mir doch selbst seit Deiner Abreise wie eine Pflanze vor, die der erwärmenden Sonnenstrahlen entbehrt, matt und gedrückt dem gänzlichen Verblühen nahe ist. Alles dieses wird eine andere Gestalt gewinnen, wenn ich Dich nur erst wieder habe und eine mündliche Verzeihung erflehen kann; heute am Tage, wo ich vermuten kann, daß Du den fatalen Brief wirst erhalten haben, möchte ich nichts tun als weinen. Laß mich ja, geliebter Louis nicht lange in dieser Spannung und Ungewißheit; schreibe mir gleich, wenn auch nur ein paar tröstende Worte, an denen ich mich wieder aufrichten und womöglich auch noch für die Zeit der Trennung aufrecht erhalten kann. - Als ersten Beweis meiner Reue nimm das Versprechen, daß ich mich von morgen an ernstlich bemühen werde, alles so einrichten, wie ich glaube, daß es Dir angenehm sein kann; und dieses Versprechen lege ich nicht nur für den Augenblick, sondern auch für die Zukunft ab. Sollte ich ja einmal wanken und Deinem Willen entgegenarbeiten wollen, so zeige mir nur diese Zeilen und Du kannst überzeugt sein, daß sie, indem sie mich lebhaft an die Zeit erinnern werden, in welcher sie geschrieben, gewiß ihre Wirkung nicht verfehlen sollen. -
Da ich gestern Gelegenheit fand, unser Instrument für 130 Rth. sächsisch zu verkaufen, so hoffe ich, wirst du nicht böse sein, daß ich sie benutzt und es weggeben habe. Wenn ich es nach preußischem Geld berechne, so verlierst Du nur 15 Rth., denn um so viel war es gewiß schlechter wie im Anfang. Hauptmann hat mir für die übrige Zeit das seinige aufgedrungen und so vermissen wir es eben nicht so sehr, da dieses nicht bedeutend schlechter ist. Es wäre wohl gut, wenn Du nun bald nach Wien schreiben wolltest. - Ich will nun meinen und andere Köpfe zu Rate ziehen und in den nächsten Tagen einen ernstlichen, vernünftigen Überschlag machen von allem, was meiner Meinung nach auf der dortigen Messe gekauft werden müßte, und dann das Resultat davon Deiner Beurteilung vorlegen. - Ich schäme mich beinahe, Dir diesen schlecht geschriebenen Brief zu schicken; allein, wenn das Gemüt nicht ruhig ist, kann auch die Hand nicht fest sein. Sollte der Vater2 schon bei Dir sein, so grüße ihn herzlich von mir.

Deine Dorette.

Autor(en): Spohr, Dorette
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hauptmann, Moritz
Spohr, Carl Heinrich
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822021030

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Louis Spohr an Dorette Spohr, 02.02.1822 und 07.02.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Louis Spohr an Dorette Spohr, 12.02.1822. Möglicherweise ist Louis Spohr an Dorette Spohr, 14.02.1822 die Antwort auf diesen Brief.

[1] Dorette Spohr an Louis Spohr, 06.02.1822.

[2] Carl Heinrich Spohr.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.01.2017).