Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 35ff.

Kassel, den 31sten Januar 22
 
Mein gutes, herzliches Weibchen,
 
Ein Dritteil der Zeit, die ich von Euch getrennt sein werde, ist nun, gottlob, vorbei; nun geht es auf die Hälfte los und wenn ich die erst hinter mir haben werde, dann berechne ich Eure Ankunft schon nach Tagen.
Deinen lieben freundlichen Brief, der mich beim Lesen oft zum Lachen brachte, erhielt ich, wie vermutete, am Tage, wie ich den meinen1 absandte. Die beiden Einlagen2 habe ich gleich beantwortet, dem Studenten abgeschrieben3, den Hamburger4 bis auf das Frühjahr vertröstet.5 - Seit 8 Tagen bin ich fast täglich nach einer Wohnung für uns aus gewesen. Endlich habe ich eine gefunden und auf ein Jahr vor der Hand gemietet, die sehr schön ist, sehr schön gelegen, aber 300 Rth. Miete kostet. Es ist eine solche Nachfrage und ein solches Überbieten, daß ich sie nicht wohlfeiler bekommen konnte, und nur auf Verwenden des Oberpolizeidirektors v. Manger, der Intendant der Kapelle ist, hat der Wirt mich andern, ebenso viel Bietenden, vorgezogen. Die Lage des Hauses ist paradiesisch, dicht vor uns haben wir die Aue und dann den Überblick über eines der reizendsten Täler, von der Fulda durchströmt. In dem Gehölz dicht unter unsern Fenstern sollen zahlreiche Nachtigallen schlagen. Wie freue ich mich darauf, Dich in diese Wohnung einzuführen! Ich lege Dir den Grundriß bei und habe darauf nach meiner Meinung die Zimmer eingeteilt. Auch war ich schon in zwei Möbelmagazinen und habe den Preis der Möbeln sowie der Matrazen zu Betten aufgezeichnet und dann einen Kosten-Überschlag gemacht und gefunden, daß wir für die Logis eine elegante und vollständige Einrichtung mit Küchengeschirr usw. für 1000 Rth. werden haben können. Vor Deiner Ankunft werde ich aber nichts machen lassen als die Betten.
Alle andern Möbeln, die man in großer Menge hier vorrätig hat, können wir gemeinschaftlich aussuchen, da unsere Wohnung erst 8 Tage nach Ostern, d.h. den 15ten April, geräumt wird und Du mit dem 1ten schon hier sein wirst.
Mit meinem Wirkungskreis bin ich sehr zufrieden. Die artistische Leitung der Oper, Verteilung der Rollen, Bestimmung, was einstudiert werden soll, Arrangement der Proben usw. ist mir ganz übertragen worden, auch zieht mich die Intendanz bei jedem Engagements-Vorschlag zu Rat. Wir haben jetzt dem Kurfürsten den Plan vorgelegt, wie das Orchester durch Engagement von noch 7 ausgezeichneten Künstlern zu einem der ersten Deutschlands erhoben werden könne. Es ist wohl kein Zweifel, daß er unsere Vorschläge genehmigen wird. Ich habe für die Blasinstrumente schon ganz herrliche Künstler in petto und für die Geigen werde ich Hauptmann und Schmitt6 aus Koburg vorschlagen. Frage doch Hauptmann, ob es sein Ernst sei hieher zu gehen und ob er mit 400 Rth. zufrieden sein würde, denn mehr könne ich ihm vor der Hand nicht verschaffen. Ferner, ob er nicht schon (da er doch nun nicht mit Dir reisen kann) den 1ten März hier sein könne, wo Hasemann und einige andere Engagierte hier eintreffen werden. Im März ist hier die Messe, wo wir mehrere neue Opern, auch Zemire und Azor, in Szene setzen werden.
Wie steht es mit denn mit dem neuen Piano von Stange. Ist es wirklich so vorzüglich ausgefallen und bist Du der Meinung, daß wir es nehmen sollen, oder hast du Hoffnung, für das unsrige einen Käufer zu finden? Schreibe mir doch bald Deine Meinung, damit, wenn ich eins von Streicher verschreiben soll, dies nicht zu spät hier eintrifft. - Bitte doch Hauptmann, dem Herrn Haumüller zu sagen, daß wir hier bereits einen Flötisten hätten und keiner mehr engagiert werden würde. - Nun lebe wohl, du einziggeliebte Herzensseele, grüße die Kinder und schreibe mir, wie es mit Emilie7 geht. Den Schnoddel8 grüße tausendmal.
 
Dein Louis

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Spohr, Dorette
Erwähnte Personen: Haumüller (Flötist)
Hauptmann, Moritz
Lindenau, Leopold
Manger, Ludwig von
Schmidt, Georg
Zahn, Emilie
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Zemire und Azor
Erwähnte Orte: Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Kassel>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822013100

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Dorette Spohr an Louis Spohr, 18.01.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Dorette Spohr an Louis Spohr, 26.01.1822. Dorette Spohr beantwortete diesen und Spohrs folgenden Brief vom 02.02.1822 am 06.02.1822.

[1] Louis Spohr an Dorette Spohr, 24.01.1822.
 
[2] Die beiden Briefe vom „Studenten” und dem „Hamburger” sind derzeit verschollen.
 
[3] Dieser Brief ist derzeit verscholllen.
 
[4] Vermutlich Leopold Lindenau (vgl. C.B., „Verzeichnis der Schüler von Louis Spohr”, in: Niederrheinische Musik-Zeitung 7 (1859), S. 150ff., hier S. 150).
 
[5] Dieser Brief ist derzeit verscholllen.
 
[6] In Briefwechsel, S. 94, Anm. 68 als Georg Simon Schmidt identifiziert.
 
[7] Emilie Spohr, später verheiratete Zahn.
 
[8] Kosename für Therese Spohr.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (23.12.2016).