Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Stuttgart den 30ten Januar 1822.

Theuerster Freund!

Mit dem innigsten Vergnügen[1} vernahm ich die Nachricht meines Freundes Wiele, daß die Wahl zum Churfürstlichen Capellmeister Sie den würdigsten getroffen hat, und daß Sie auch als solcher von jedermann bebührend empfangen und geehrt worden sind. Hätte ich dieses Ereigniß vor zwey Monaten nur entfernt ahnden können, so hätte auch ich als Churfürstlicher Diener Sie begrüßen und zur allgemeinen Freude beytragen können. Durch Freund Wiele werden Sie schon ersehen haben, daß die Intendanz mit mir unterhandelte, da sich aber das Engagement mit unserm Capellmeister Lindpaintner auch nicht rectifirte, und ich nicht gerne das Engagement in Cassel schließen wollte, ohne früher den zukünftigen Capellmeister zu kennen, auch noch einige Umstände, in Rücksicht der Erfüllung meiner vorgeschlagenen Engagements-Punkte sich ergeben, so gab ich den Wunsch in Cassel angestellt zu seyn dazumal auf. Nun aber, da Sie theuerster Freund an der Spitze der Capelle stehen, jedem Künstler nach Verdienst zu würdigen wissen, auch mich als altem Freund genauer kennen, erhebt sich aufs neue und stärker als je der Wunsch meine hiesigen Verhältnisse mit Cassel vertauschen zu können. Jedoch kann ich selbst direct mich nicht mehr bey der Intendanz um ein Engagement melden, um mich nicht bey selben in ein ganz zweydeutiges Licht zu setzen, und glaube daher, mich an niemanden als an meinen Freund an Sie wenden zu müssen. Wollte Sie sich für die Erfüllung meines Wunsches verwenden, so müßte solches mit Schonung meiner geschehen, was ich Ihnen zwar, als erfahrenen Manne nicht recht vorzustellen brauchte, und ist die erste Violoncellistenstelle noch nicht besezt, so wäre kein Hinderniß im Wege. Daß mich nicht die Noth zwingt, von hier abzugehen, erfaltet aus meinen Bemerkungen, welche ich der General Direction machte, welche Sie aus den Acten ersehen, und von Freund Wiele erfahren können.
Zwar vernahm ich auch, daß Hasemann aus Frankfurth um diese Stelle sich2 bewirbt, wenn selber durch eine Zwischenkunft auch nicht engagirt werden sollte, so wäre selbes kein Irrlicht für selben, indem er schon früher mit hier unterhandelte3, und die, durch meinen Abgang eröffnete Stelle ohne allen Zweifel ihm gleich angetragen würde. Wenn Sie mich bey der Intendanz in Vorschlag bringen wollten, so müßte selbe sagen, mit mir schon in Unterhandlung gestanden zu seyn, und Ihnen die Acten zur Einsicht geben, und welchen Sie dann alle Verhältniße, (welche hier zu beachten zu weitläufig wäre) ersehen könnten. Da ich nun weiß, daß Sie Freund an der Spitze stehen, ein richtiges Wort zu sprechen haben, und von je her wünschten, mich als Violoncellisten bey sich zu haben, so hoffe ich alles von ihrer Verwendung, welche ich auch, wenn je wieder ein Antrag in Cassel an mich kommen sollte, mit Moderirung einiger meiner vorgeschlagenen Engagements-Punkte, nach Möglichkeit unterstützen werde, besonders aus dieser Rücksicht, weil mein 15-jähriger Sohn als 4ter Violoncellist auch angestellt werden sollte, der in kurzer Zeit auch als tüchtiger Mitglied der Capelle seinen Platz behaupten soll. Lebenb Sie recht wohl, und erfreuen Sie ja recht bald mit einer Antwort

Ihren
wahren Freund
Nicolaus Kraft.

Von meiner Frau viele Empfehlungen.

Autor(en): Kraft, Nicolaus
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Hasemann, Nicolaus
Kraft, Friedrich
Wiele, Adolph
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen: Hofkapelle <Kassel>
Hofkapelle <Stuttgart>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822013044

Spohr



Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Kraft an Spohr, 04.07.1832.

[1] „Vergnügen“ über der Zeile eingefügt.

[2] „sich“ über der Zeile eingefügt.

[3] Vgl. Nicolaus Hasemann an Spohr, 29.01.1822.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (24.04.2023).