Autograf: bis mindestens 1943 im Besitz von Werner Wittich, danach Kriegsverlust (vgl. Druck, S. 14)
Druck: Louis Spohr, Briefwechsel mit seiner Frau Dorette, hrsg. v. Folker Göthel, Kassel und Basel 1957, S. 32ff.

Dresden, d. 26sten Januar 1822

Mein geliebter Louis!

Mit einem wahren Wonnegefühl empfing ich den Brief, der mir Deine glückliche Ankunft in Kassel meldete. Ich danke Gott, daß du die Reise ohne Unfall zurückgelegt hast, und freue mich, Dich dort nun schon völlig einheimisch und Deine kleine Wirtschaft eingerichtet zu wissen. Ich hoffe ja, nach dem zu urteilen, was du mir schreibst, daß Du nun endlich einmal einen Wirkungskreis gefunden hast, der Deinen Forderungen als Künstler Genüge leisten und auch in anderer Hinsicht Deinen Wünschen entsprechen wird. - Sehr froh bin ich, daß Du selbst mir den Faden reichst, an den ich meine heutige Unterhaltung mit Dir knüpfen kann, ich hätte mich sonst genötigt zu sehen, Dir unsere jetzige Lebensweise, die ich einer Spieluhr vergleiche, der man jeden Morgen, nachdem sie aufgezogen, dieselbe Walze wieder einsetzt – zum dritten Male ableiern zu müssen. - Da ich nicht weiß, ob das Original in Deinem Kopfe mit der Kopie, die Du mir geschickt, in Hinsicht der Nummern übereinstimmt, so lege ich letztere wieder bei, damit wir uns nicht mißverstehen1 [...]2
Ferner habe ich eine – Du wirst sie vielleicht dumme Idee nennen – aber ich will sie Dir doch mitteilen. Könnten wir nicht für einen Teil des Geldes, was wir jetzt von Speyer und André in Offenbach bekommen, auf der Frankfurter Ostermesse Sachen für uns kaufen und sie dann zugleich mit dem Koffer durch Fracht kommen lassen? Ich meine nämlich wie z.B. Leinwand für Bettzeug, Musselin zu Vorhängen, Tischzeug, Handtücher usw. All diese Sachen kann man doch gewiß wohlfeil und sehr gut kaufen, weil man eine große Auswahl hat. Behagte uns dieser Kanal, so könnten wir in der Folge das immer so machen. Jedoch müßte man sich erst einmal erkundigen, es ist möglich, daß diese Sachen in Kassel nicht so teuer sind, wie ich es mir denke! Peters hat seine Schuld durch Übersendung von 4800 Groschen getilgt. Lache nur nicht – Ich kann Dir sagen, daß ich nicht wenig erschrocken war, als bei Eröffnung des Pakets die papiernen Füllhörner sich in lauter schmutzigen Groschen in meinen Schoß entladeten. Wäre der Brief, der sie begleitete und den ich gestern beantwortet habe – nicht gar so artig gewesen, ich glaube, ich hätte mich nicht enthalten können, die Quittung über die Anzahl besagter Münzsorten auszustellen. - Minchen bittet mich inständig um die Ouverture von Faust für 2 Hände. Kannst Du sie ihr vielleicht verschaffen?
Hast du schon No. 2 der musikalischen Zeitung gelesen?3 Heute wird hier zum ersten Mal der Freischütz gegeben. In der gestrigen Probe soll er noch sehr schlecht gegangen sind. - Morgen werde ich an Ferdinand schreiben – er selbst hatte mich gegeben, erst deinen Brief aus Kassel abzuwarten, um ihm etwas davon mitteilen zu können.
Von Gandersheim erhielt ich keine Zeile. Jeden Dienstag hoffe ich mit Sehnsucht auf Deinen Brief. Vergiß ja nie mir zu schreiben, wären es auch nur wenige Zeilen, sie werden mich doch glücklich machen. Verzeihe mein heutiges schlechtes Schreiben, aber ich glaube, es ist bald Mitternacht, ich muß immer erst warten, bis alles zu Bette ist, denn Therese leidet durchaus nicht, daß ich schreibe.
Lebe wohl geliebter Louis. Herzliche Grüße von den Kindern. Tausendmal umarmt Dich

Deine Dorette

Autor(en): Spohr, Dorette
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: André, Johann Anton
Peters, Carl Friedrich
Scheidler, Wilhelmine
Speyer, Wilhelm
Spohr, Ferdinand
Spohr, Therese
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Weber, Carl Maria von : Der Freischütz
Erwähnte Orte: Dresden
Frankfurt am Main
Gandersheim
Kassel
Erwähnte Institutionen: Hoftheater <Dresden>
Peters <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1822012630

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf Louis Spohr an Dorette Spohr, 18.01.1822. Der Postweg dieses Briefs überschnitt sich mit Louis Spohr an Dorette Spohr, 24.01.1822 und 31.01.1822. Louis Spohr beantwortete diesen Brief am 02.02.1822.

[1] Bezieht sich auf den Grundriss einer Wohnung, die Louis Spohr seinem Brief vom 18.01.1822 beigelegt hatte (vgl. Briefwechsel, S. 94, Anm. 62).

[2] Textverlust bereits zur Zeit der Transkription durch Göthel (vgl. Briefwechsel, S. 15).

[3] „Frankfurt am Mayn”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 24 (1822), Sp. 23-27, hier Sp. 26 gibt eine positive Besprechung des Faust, kritisiert jedoch, dass der „in allem so ächt deutsche Künstler” Spohr seinen Vornamen Ludwig immer französisch Louis schreibe (vgl. dazu Göthel in: Briefwechsel, S. 94, Anm. 64).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (23.12.2016).