Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Dem
Herrn Capellmeister
Louis Spohr
Adr. dHerrn C.F. Peters
(Bureau de Musique)
Leipzig.

franco.1


Gotha, d. 13 Oct. 1821

Guter, lieber Herr Kapellmeister,

Mit Wehmuth hab ich schon oft an Sie meinen väterlichen Freund u. Lehrer zurückgedacht so wie auch an Ihre herrliche liebe Frau u. Kinder, wurde auch durch so viele mit mir gleichliebende Leute an Sie erinnert, – den Schmerz der Trennung will aber nicht verwischen u. er wird mich auch wohl begleiten bis ich mich wieder ganz den ihrigen nennen kann, bis ich Ihnen nahe auch die Freuden die mir zu Theil werden mit Ihnen theilen kann u. dadurch einen doppelten Lebensgenuß haben.
Sie guter herrlicher mann, Sie sind zu groß als daß ich Ihnen durch todte Worte danken könnte; – mein Herz ist voll von Ihnen, fühlt mehr als wie die treuste Feder wiedergeben kann. Diese Liebe wird gewiß auch nie erkalten, ich müßte denn zum verworfensten Geschöpfe werden wovon der Himmel mich bewahren wird. – Mit Sehnsucht sehe ich einem Brief von Ihnen entgegen, wenn sie doch schon in Coburg befriedigt würde! an Statt kann es Ihnen in einem briefe an mich nie fehlen da schon eine Anzeige des Wohlgefindes der Ihrigen mir die schönste Freude macht.
Was mich betrifft, so ist wenig oder garnichts Interessantes bis jetzt ereignet. In Nordhausen kam ich nicht zum Konzert weil Violoncellist und Contrabassist abwesend waren u. 10 Tage später Mühling ein K[on]zert geben wollte. In Sondershausen konnte ich nicht spielen, weil der Fürst bis zu Weihnachten auf seinem Jagdschloße 3 Stunde von der Stadt entfernt leben u. da2 aus dem selben Grund das Theater bis dahin geschloßen ist. Zu Mühlhausen spielte ich, aber das Orchester welches gewiß nicht schlechter seyn kann verursachte eben dadurch daß ich den festen Vorsatz faßte nie wieder in einer kleinen Stadt ein Konzert zu geben. Der Hofrath Tilesius welcher mit Krusenstern die Welt umsegelte3 verschaffte mir durch seine so interessante als lehrreiche Bekanntschaft Ersatz für die musikalischen Marterstunden. Seit 8 Tagen bin ich in Gotha, wo ich wieder Schades Wohnung bezogen habe. Madame Scheidler befindet sich sehr wohl u. war höchst erfreut Nachrichten von Ihnen zu bekommen. Gleich nach meiner Ankunft hier schrieb ich an H. v. Holleben4, von dem ich heute einen ganz herrlichen Brief erhalten. Der Hof ist wegen Ablebens der Großmutter des Fürsten in tiefer Trauer, demohngeachtet will er mir aber schon ein Konzert arrangiren; er wird mir selbst bis Arnstadt in seinem Wagen entgegen kommen u. will mich auch nachher den halben Weg nach Meiningen fahren laßen, um meine Kosten so gering wie möglich zu machen. – Das Erste was ich hier begann war meine Violine gehörig zu arrangiren; Bärwolf war wieder höchst gefällig; nach seinem Rath übereinstimmend mit dem der5 beyden Preysing u. Schramms wurde beschloßen Stimme u. Steg einen halben Finger breit zurückzusetzen, daß wirkte sehr günstig auf den Ton, so daß Bärwolf selbst, welcher vorher nachdem er meine Violine gehört höchst wohlgefällig die Seinige ertönen ließ, jetzt der Meinigen den Volrzug der ihr gebührt nicht versagen konnte; ich bestand darauf noch Versuche mit andern Stegen zu machen, Preysings u. Bärwolf behaupteten aber, der Ton könne garnicht beßer werden, daher habe ich es dabey bewenden laßen. –
Romberg6 schwebt in höchster Gefahr, in wenig Tagen muß es sich zeigen ob er unterliegen oder ob er noch Jahre lang kränkeln wird; eine schreckliche Wahl für die unglückliche Familie. Heinrich u. seine arme Mutter7 wachen wechselnd des Nachts bey dem Kranken. Eine treue Stütze finde die Familie an der Fürstin zu Solms, die täglich ins Haus kommt, alles aufbietet um Madame Romberg zu stärken u. zu beruhigen u. alle Schulden bezahlt; 3 mal sah ich sie u. gewann sie herzlich lieb. – Vorgestern waren ihre 3 Söhne bey Schade, wo wir Quartett machten; ich spielte Ihr Edur Quartett, Ihr Gdur Quintett u. Ihren Potpourri aus B mit Quintettbegleitung; Heinrich Romberg spielte eines der 3 neusten Quartette seines Vaters. Der Baron von Reibnitz ist jetzt hier, auch bey ihm spielte ich neuerlich Quartette; morgen ist wieder bey Schade Quartettparthie wozu auch Madame Ruppius eingeladen ist. – Ich habe auch außerdem recht fleißig geübt, immer an Ihre Ermahnungen hinsichtlich des Arms gedacht u. auch das erste Allegro eines Quartetts in G dur hier komponirt.
Ihrer Frau sagen Sie doch, daß nebst Ihnen Niemand sie mehr lieb haben kann als ich u. daß ich stolz bin im Gefühl Ihrer beyden Freundschaft wiewohl unwürdig in nicht geringem Grade zu besitzen.
Herzliche Grüße an Emilie u. Ida u. einen Kuß an Therese.
Ihr Sie über alles liebender Eduard Grund.



Der nächste erschlossene Brief dieser Korrespondenz ist Grund an Spohr, zwischen 15. und 31.12.1821.

[1] Auf dem Adressfeld befindet sich rechts oben der Poststempel „GOTHA / 14 OCT 1821“.

[2] „da“ über der Zeile eingefügt..

[3] Vgl. [Adam Johann von Krusenstern], Reise und die Welt in den Jahren 1803, 1804, 1805, 1806 auf Befehl Seiner Kaiserl. Majestät Alexanders des Ersten auf den Schiffen Nadeshda und Newa unter dem Commando des Capitäns von der Kaiserl. Marine A.J. von Krusenstern, Bd. 2.1, Berlin 1811.

[4] In Rudolstadt.

[5] „der“ über der Zeile eingefügt..

[6] Andreas Romberg.

[7] Anna Magdalena Romberg.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (16.05.2022).