Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,28
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Ludwig Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anh. S. 18 (teilweise)

Herrn
Wilhelm Speyer
Adresse: Herren Pensa
& Speyer
Frankfurt a/m


Gandersheim den 10ten
Juni 1821.

Geliebter Freund,

Ihren Vorschlag mein Geld noch ein Jahr zu 4 Prozent bey Ihnen stehen zu lassen, nehme ich mit Freuden an, da ich mir keine bessere Verwendung dafür wünschte. – Die verlangte Anweisung an Ihre Handlung erfolgt hiebey.
Wie mein Schüler Schmidt1 das Gerücht von meinem Engagement in Wien hat verbreiten können, ist mir unbegreiflich, da nie von einem solchen die Rede gewesen ist. Zuvor hat mich der Graf Dietrichstein aufgefordert mich wieder in Wien zu fixiren, mir gleich Arbeit für das Hoftheater versprochen, mich in der Folge die Stelle von Salieri oder Weigl hoffen lassen, allein, gewisses konnte er mir in Hinsicht letzterer nicht versprechen. Auch ist es noch nicht entschieden, ob ich mich in Wien oder Dresden auf einige Jahre nieder lassen werde. Ein geschickter Gesanglehrer dessem meine Mädchen zur technischen Ausbildung ihrer, wie mir scheint, vorzüglichen Stimmen, nun sehr bedürfen, findet sich wohl leichter in Dresden wie in Wien und ich werde mich daher wohl für erstere Stadt entscheiden, wozu mich überdieß noch einiges andere bestimmen könnte. Auch spüre ich in mir vor der Hand keine sonderliche Lust wieder für das Theater zu schreiben.
Meine Messe ist nun fertig und ich glaube etwas tüchtiges geliefert zu haben. Sie ist für zwey 5stimmige Chöre und 5 Solostimmen; ich habe den Text in 5 Sätze abgetheilt, das Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und agnus und diese Sätze in Form, Tonart und Charakter sehr verschieden gehalten. Die Haupttonart der Messe ist c moll.
Sie enthält 4 durchgeführte, ächt 5stimmige Fugen worunter eine große Doppelfuge. Die ganze Messe dauert nicht ganz ¾ Stunden und ist, wie ich glaube, nicht eben schwer. Ich werde sie den deutschen Singvereinen dediciren, für die ich sie geschrieben habe. – Außerdem habe ich ein neues Klarinett-Concert für Hermstedt geschrieben und ihm den Entwurf zur Ansicht bereits hinzugeschickt. Nun werde ich etwas für Pianoforte und Violine machen.
Wie finden Sie denn mein Porträt im Kupferstich?2 Ich meine es sey gut gerathen und recht ähnlich.
Ich sehe nun einem baldigen recht langen Briefe von Ihnen entgegen. Meine Frau und ich grüßen Sie u[nd] die Ihrigen herzlichst. Ihr

treuer Freund
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Dietrichstein, Moritz von
Hermstedt, Johann Simon
Salieri, Antonio
Schmidt, Georg
Weigl, Joseph
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Konzerte, Klar Orch, WoO 19
Spohr, Louis : Messen, op. 54
Spohr, Louis : Potpourris, Vl Kl, op. 56
Erwähnte Orte: Dresden
Wien
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1821061002

https://bit.ly/

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Der nächste überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Speyer an Spohr, 28.07.1821, der einen Hinweis auf einen verschollenen Brief von Spohr an Speyer gibt.

[1] Simon Georg Schmidt war am 09.01.1821 in Frankfurt in einem Konzert aufgetreten (vgl. [Wilhelm Speyer], „Frankfurt am Main. Uebersicht der musikalischen Leistungen im Monat März”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 23 (1821), Sp. 275-282, hier Sp. 278).

[2] Wohl die Lithographie nach dem Porträt von Adam Grünbaum, welches auch in den Briefen Speyer an Spohr, 04.07.1820 und Spohr an Speyer, 26.09.1820 erwähnt ist (vgl. Herfried Homburg, „Bildnisse Louis Spohrs. Eine vorläufige Bestandsaufnahme”, in: Louis Spohr. Festschrift und Ausstellungskatalog zum 200. Geburtstag, hrsg. v. Hartmut Becker und Rainer Krempien (= Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz Ausstellungskatalog 22), Kassel 1984, S. 209-230, hier S. 212f.).

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders vermerkt: Karl Traugott Goldbach (03.02.2016).

Gandersheim, den 10. Juni 1821

... Graf Dietrichstein (hat mich) aufgefordert mich wieder in Wien zu fixieren, mir gleich Arbeit für das Hoftheater versprochen, mich in der Folge die Stelle von Salieri oder Weigl hoffen lassen, allein, gewisses konnte er mir in Hinsicht letzterer nicht versprechen ...