Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,26
Zitat: „Briefe von L. Spohr”, in: Niederrheinische Musik-Zeitung 8 (1860), S. 73-77 und 93f., hier S. 73

Herrn
Herrn Wilhelm Speyer
ads. Herren Pensa & Speyer
Frankfurt a/m


Heidelberg den 28sten
Februar 1821

Geliebter Freund,

Ihren lieben Brief nach Strasburg fand ich dort schon vor; ich hätte ihn früher beantwortet wenn es mir nicht an Stoff gefehlt hätte. – Von unserem Aufenthalt in Paris werden Sie in vier langen Briefen lesen, die ich für die Musik. Zeitung eingeschickt habe; ich habe Sie in Gedanken an Sie gerichtet und Sie mögen Sie so lesen.1 Ich mußte oft und viel von mir selbst reden. – Die Briefform muß das einigermaßen entschuldigen. Als Einleitung dazu kann das sehr schicklich dienen was in Ihrem Bericht in No 7 der Zeitung enthalten ist.2 Diesem, so wie dem über unser letztes Concert in Frankfurt wird man es nur zu sehr anmerken daß ihn ein Freund von mir geschrieben hat.
In Strasburg ging es nur hinderlich. Wegen der Landesfeyer für den Herzog von Berry3, an die anfangs niemand gedacht hatte, mußte ich mein bereits angekündigtes Concert um 6 Tage verschieben; traf dann einen schlechten Tag, an welchem ein öffentlicher Ball und noch zwey Privat-Bälle waren und machte eine ziemlich schlechte Einnahme. Zuvor wurde ich allgemein zu einem 2ten Concert aufgefordert und mir in diesem Ersatz versprochen4; ich konnte aber nicht länger bleiben, weil bereits in Carlsruhe ein Concert arrangirt und angekündigt war.5 Dieß fand statt am vorigen Montag im Theater in Gegenwart des ganzen Hofs und eines sehr zahlreichen Besuchs aus der Stadt und entschädigte mich vollkommen für das in Strasburg versäumte.6
So aber kommen wir erst an und werden übermorgen abend eine im Voraus besorgte Abend-Unterhaltung geben, die einen reichen Ertrag verspricht. Sonntag reisen wir weiter nach Würzburg, wo wir wohl 8 Tage verweilen werden. Wenn Sie mir die Freude machen sogleich zu schreiben, so werde ich Ihren Brief noch in Würzburg erhalten; adressiren Sie ihn gefälligst an den Professor Fröhlich.
Es hat mich gewundert, daß Sie in keinem Ihrer Briefe meine Geld-Angelegenheit erwähnen. Haben sie das Geld ausgezahlt, oder ist die Anleihe nicht zustande, gekommen oder gibt es noch ein Bedenken?
Aus einem Brief von Peters7 ersah ich, daß mein lieber Eduard Grund in diesen Tagen nach Frankf. kommen wird, oder vielleicht schon dort ist. Ich bitte Sie daher nochmals, ihn mit Rath und That zu unterstützen; er wird Ihner Empfehlung gewiß Ehre machen. Ist er schon dort, so theilen Sie ihm doch mit, was Sie von mir wissen und sagen Sie ihm, daß er mir nach Würzburg ebenfalls schreiben möge. Wir gehen über Bamberg, Coburg nach Gotha und von da nach Gandersheim zurück. Bis Ende Aprill denken wir dort einzutreffen. – Eduard möge doch auch meinen Eltern einmal schreiben, die sich sehr nach Nachrichten von ihm sehnen. –
Nun noch eine Bitte. – Wir machten im Palais royal in Paris die Bekanntschaft eines jungen Menschen8 der sich Ihren Cousin und den Neveu von Mad. Betsy Speyer nannte. Einige Tage später kam er zu mir und bat mich, ihn durch das Vorschießen von 60 fr. aus einer großen Verlegenheit zu ziehen in die er durch [verlo]renes Spiel gekommen sey. Ich gab sie ihm. Tag[s darauf] schrieb er mir einliegendes Billet.9 Die fernere [Textverlust] die er darin verlangt, mußte ich ihm verweigern. [Seit] dieser Zeit habe ich ihn nicht wiedergesehen und vermuth[e] er sey nach Frankfurt zurück gekehrt wie er willens war. Wäre es Ihnen nicht möglich, mir von ihm oder seiner Tante gegen Rückgabe der einliegenden Quittung und des Billets die 60 franc wiederzuerstatten?
Die Gefahr, in der sie geschwebt haben, Ihren Knaben10 zu verlieren, hat mich sehr aufgeschreckt. Ich hoffe, Sie werden uns nach Würzburg die beruhigendsten Nachrichten geben können. Meine Frau und ich grüßen Ihre ganze Familie auf das Herzlichste.
Leben Sie wohl. Ewig

Ihr
treuer Freund
Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Artois, Charles-Ferdinand d’
Fröhlich, Franz Joseph
Grund, Eduard
Peters, Carl Friedrich
Speyer, Betsy
Speyer, Carl
Spohr, Carl Heinrich
Spohr, Ernestine
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Bamberg
Coburg
Frankfurt am Main
Gandersheim
Gotha
Karlsruhe
Paris
Straßburg
Würzburg
Erwähnte Institutionen: Peters <Leipzig>
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1821022802

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Speyer an Spohr. Ob Speyer diesen Brief, wie hier von Spohr erbeten, nach Würzburg antwortete, lässt sich derzeit nicht belegen. Der nächste belegbare, jedoch derzeit verschollene Brief ist Speyer an Spohr, 01.05.1821.

[1] Louis Spohr, „Briefe aus Paris”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 23 (1821), Sp. 139-144, 156-162, 177-184 und 189-195. 

[2] [Wilhelm Speyer], „Frankfurt am Main”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 23 (1821), Sp. 111-114. 

[3] Offensichtlich zum Todestag für Charles-Ferdinand d’Artois, Herzog von Berry, den der Sattler Pierre Louis Louvel am 13.02.1820 beim Verlassen der Pariser Oper vom tödlich mit einem Messer verletzte (vgl. Précis sur la vie et les derniers moments de S.A.R.Mgr le Duc de Berry, assassiné le 13 fevriér 1820, par l’infame et execrable Louvel, Nantes 1820; siehe auch Spohr an Speyer, 21.02.1820). 

[4] Vgl. hierzu die thematisch andere Darstellung in: Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 118, Text mit falscher Paginierung auch online; ders., Louis Spohr's Selbst-Biographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 143

[5] Ankündigungstext für das Konzert am 26.02.1821 in: Karlsruher Zeitung 1821, S. 260; nachgedruckt in: Joachim Draheim, „,Der Saal war zum Erstaunen – menschenleer!’. Louis Spohr in Karlsruhe”, in: Ioculator Dei. Festschrift für Andreas Schröder zum 60. Geburtstag, hrsg. v. Michael Gerhard Kaufmann (= Schriftenreihe der Europäischen Orgelakademie am Oberrhein 1), Freiburg 1999, S. 149-154, hier S. 154.

[6] Vgl. hierzu Lebenserinnerungen, ebd.; Selbst-Biographie, ebd.

[7] Der Brief Carl Friedrich Peters an Louis Spohr, 21.02.1821 ist derzeit verschollen.

[8] Nicht ermittelt.

[9] Dieses Billet ist derzeit verschollen.

[10] In Spohr an Speyer, 08.05.1821 wird dieser Sohn als Carl identifiziert.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (03.02.2016).