Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), Sign. 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 80f.
Druck: Horst Heussner, Die Symphonien Spohrs, Phil. Diss. Marburg 1956, Anh. S. 15f. (teilweise)

Gandersheim den
4ten August 20.

Geehrter Freund,1

Beyliegend überschicke ich Ihnen die Original-Partitur der Sinfonie; gern hätte ich Ihnen auch die Stimmen mitgeschickt, allein sie sind unbrauchbar geworden, weil ich nach den beyden Aufführungen in London hin und wieder noch geändert habe. – Wie nöthig bey der Aufführung eines solchen Wercks (so wie bey allen neuren Sinfonien,) eine Partitur zur Direktion sey, ist schon oft gefühlt worden; Steiner in Wien hat daher die beyden lezten Sinfonien von Beethoven auch in Partitur stechen lassen2, aber schwerlich seine Rechnung dabey gefunden. Da Sie sie bey Herausgabe der Partitur dieser Sinfonie eben so wenig finden würden, so denke ich nicht weiter daran bitte Sie aber eine eigene, von der ersten Violine verschiedene Direcktions-Stimme stechen zu lassen. Schon bey den frühern Beethovenschen Sinfonien die bey B. und Härtel herausgekommen sind, hat man es nöthig gefun[den,] die Haupt-Soli der Blas-Instrumente mit kl. Noten in die erste Violinstimme hineinzusetzen; allein die Stimme ist dadurch für die andern ersten Geiger so undeutlich geworden daß sie kaum zu lesen ist und dem Direckteur gewährt sie doch keine hinlängliche Übersicht. Ich bitte Sie daher, eine Violinstimme mit unterlegtem Baß und allen bedeutenden Eintritten der Blas-Instrumente für den Direcktor stechen zu lassen auf die Weise wie ich es auf beyliegendem Blatte angefangen habe. Wenn Sie diese Probe einem gewandten Copisten geben, so wird er schon sehen, wie ich diese Stimme gern haben mögte. Ehe Sie sie dann aber zum Stich geben, bitte ich sie vorher Herrn Schneider zu zeigen, auch wegen der Überschrift für diese Stimme ihren Italiäner zu Rathe zu ziehen. – Erinnern Sie den Copisten noch gefälligst, daß er nicht[s] mit großen Noten schreibe, als das was die erste Violine hat. – Hr. Bischoff wird gegen das Ende des Septembers wieder ein großes Musickfest veranstalten, dessen Direcktion ich warscheinlich übernehmen werde. Bey der Gelegenheit mögte ich gern die neue Sinfonie zu hören geben.3 Sollten Sie daher sie gleich in Arbeit geben können und wir uns alsdann schon der gestochenen Stimmen bedienen können, so würde mir dadurch ein großer Gefallen erzeigt werden.
Hinsichtlich Ihres, in Ihrem vorigen Briefe ausgesprochenen Wunsches, daß ich Ihnen etwas leichtes für die Dilettanten machen mögte, so bin ich erböthig, alle Zeit, die ich einigen neuen hier angefangenen Arbeiten und der Vollendung des Pianoforte-Quintetts entziehen kann, für die Realisirung desselben anzuwenden; nur bitte ich Sie mir zu schreiben, was Sie am liebsten haben mögten, ob es etwas leichtes für Violine und Pianoforte oder was es sonst seyn soll.
Ich habe die Sinfonie Oeuv. 49 getauft weil ich voraussetze, daß Sie die Concertante für 2 Violinen Oeuv. 48 genannt haben werden. – Bey der Scene bemercke ich, daß auf dem Titel Oeuv. 47 auf den Stimmen Oeuvre 46 steht.
Für die Nachschrift in Ihrem lezten Br. meinen herzlichsten Dank. Weder von ihr noch von den andern Mittheilungen dürfen Sie einen übelen Gebrauch fürchten. Aber recht sehr werden Sie mich verbinden, wenn Sie mir es gleich mitthei[len] wenn Sie von einer Veränderung in Dr[es]den hören sollten. Ich lebe hier jezt auf dem Lande, von allen Neuigkeiten so entfernt, daß ich zu dieser Bit[te] veranlaßt werde. In Berlin habe ich einen Bruder der mich von allem, was dort geschieht, in Kenntnis sezt.
Wenn Sie mir wieder Musick übersch[icken,] so bitte ich ein Exemplar meines Solo-Quartettes Op. 43 gefälligst beyzulegen.
Mit herzlicher Freundschaft

der Ihrige
Louis Spohr.

NS. Daß die Sinfonie mit den Buchstaben gestochen werde, brauche ich wohl nicht erst zu erinnern! Dies, so wie die Tempo-Bezeichnung auf Webersche Art4, bewährt sich immer meh[r] als sehr nützlich!



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief von Peters an Spohr, 22.07.1820. Peters’ Antwortbrief vom 25.08.1820 ist derzeit ebenfalls verschollen.

[1] Auf der ersten Seite des Briefes befinden sich von anderer Hand noch Eingangs- und Antwortvermerk des Verlags: „1820 / 4. Aug. / 11 '' / 25 '' / Gandersheim / Spohr.“

[2] Vgl. Ludwig van Beethoven, Siebente Grosse Sinfonie in A dur, Wien [1816]; ders., Achte Grosse Sinfonie in F dur, Wien [1816].

[3] Einem späteren Text Spohrs zufolge, organisierte der Quedlinburger Musikdirektor Johann David Rose das Musikfest vom 12. und 13.10.1820 (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 94, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 111ff.).

[4] Gottfried Weber propagierte die Tempobezeichnung mittels eines von ihm entwickelten Fadenpendels.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (06.10.2016).