Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,6
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 36 (teilweise)
Sr. Wohlgeb.
Dem Herrn W. Speyer
neue Mainzergasse im eigenem Hause
Frankfurt a/m
Braunschweig den 26sten
September 1819
Geliebter Freund,
Ihre beyden Briefe habe ich richtig erhalten. Zu der glücklichen Entbindung Ihrer Frau gratuliren wir Ihnen alle von ganzem Herzen. Mögten wir in Ihrem nächsten Briefe erfahren, daß sich Mutter und Kind fortdauernd wohlbefinden!
In Gandersheim haben wir länger als 14 Tage sehr vergnügt verlebt. Meine 4 Brüder kamen ebenfalls dorthin, so daß meine alten Ältern die Freude hatten alle ihre Kinder und Enkel um sich versammelt zu sehen. Zu meiner Mutter Geburtstag1 veranstalteten wir ein kleines Fest in einem nahegelegenem Walde welches von dem freundlichsten Wetter begünstigt war. Es ist wohl lange kein so heiteres Familienfest gefeiert worden! – Auch eine kl. Musik, wozu mein Vater wohl 150 seiner Bekannten eingeladen hatte, haben wir veranstaltet und dadurch viel frohe Menschen gemacht. – Der Tag des Abschieds von unsern Kindern war dann freylich ein sehr trüber; schon 2 Nächte vorher weinte meine arme Dorette beständig und wurde zuletzt ganz krank vor Kummer. Die Vorbereitungen zu unserem hiesigen Concert haben sie aber etwas zerstreut und Briefe, die gestern von unsern Kindern ankamen, sehr beruhigt. – Dieses Concert nun, welches gestern Abend statt fand, war wie man mir versichert, eins der brillantesten die je zu Braunschweig stattgefunden. Meiner Künstler-Eitelkeit war es ein schmeichelnder Gedanke mich meinen Landsleuten, die mich als Knaben und angehenden Künstler kannten, als reifenden wieder darstellen zu können. Auch war der Enthusiasmus wie sonst nur unter einer weit südlicheren Bahn.
Im Theater hörten wir den Don Juan von einigen Sängern vorzüglich, im ganzen genommen, aber besonders im Orchester schlechter als zu Frankfurt. Das Thea[ter] [Textverlust, vielleicht: selbst?] die Erleuchtung, Garderobe und Dekoration sind aber viel günstiger und reicher wie dort.
Übrigens reisen wir nach Hamburg, wo wir wohl 14 Tage verweilen werden. Dorthin bitte ich nun einen Brief unter Adres. des Musikd. Schwenke. Ihrer ganzen Familie so wie an H u M. Pensa unsern herzlichsten Gruß. Allen meinen Bekannten bitte ich mich zu empfehlen. Mit unveränderter Liebe
der Ihrige Louis Spohr.
Autor(en): | Spohr, Louis |
Adressat(en): | Speyer, Wilhelm |
Erwähnte Personen: | Pensa, Bernhard Pensa, Maria Anna Schwencke, Christian Friedrich Gottlieb Spohr, August Spohr, Carl (Bruder von Louis Spohr) Spohr, Carl Heinrich Spohr, Dorette Spohr, Ernestine Spohr, Ferdinand |
Erwähnte Kompositionen: | Mozart, Wolfgang Amadeus : Don Giovanni |
Erwähnte Orte: | Braunschweig Frankfurt am Main Gandersheim Hamburg |
Erwähnte Institutionen: | Hoftheater <Braunschweig> Stadttheater <Frankfurt am Main> |
Zitierlink: | www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1819092602 https://bit.ly/ |
Dieser Brief beantwortet zwei verschollene Briefe von Speyer an Spohr, mindestens einer davon September 1819. Speyers Antwortbrief im Oktober 1819 ist ebenfalls verschollen.
[1] Demnach ist Ernestine Spohrs sonst gegebenes Geburtsdatum 17.02.1763 falsch ([Ludwig] Spohr, Spohr'sches Familienbuch. Genealogie der Familie Spohr aus Alfeld und kleine Beiträge zu einer Familien-Chronik, Karlsruhe 1909, S. 22).
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (21.01.2016).
Braunschweig, 26. Sept. 1819.
... In Gandersheim haben wir länger als 14 Tage sehr vergnügt verlebt. Meine vier Brüder kamen ebenfalls dorthin, so daß meine alten Eltern die Freude hatten alle ihre Kinder und Enkel um sich versammelt zu sehen. Zu meiner Mutter Geburtstag veranstalteten wir ein kleines Fest in einem nahegelegenem Walde welches von dem freundlichsten Wetter begünstigt war. Es ist wohl lange kein so heiteres Familienfest gefeiert worden! – Auch eine kl. Musik, wozu mein Vater wohl hundertfünfzig seiner Bekannten eingeladen hatte, haben wir veranstaltet und dadurch viel frohe Menschen gemacht. – Der Tag des Abschieds von unsern Kindern war dann freylich ein sehr trüber ... Meiner Künstlereitelkeit war es ein schmeichelnder Gedanke mich meinen Landsleuten, die mich als Knaben und angehenden Künstler kannten, als reifenden wieder darstellen zu können. Auch war der Enthusiasmus wie sonst nur unter einer weit südlicheren Breite.
Im Theater hörten wir den ,Don Juan’ von einigen Sängern vorzüglich, im ganzen genommen, aber besonders im Orchester schlechter als zu Frankfurt ...