Autograf: Staatsbibliothek zu Berlin Preußischer Kulturbesitz, Musikabteilung mit Mendelssohnarchiv (D-B), Sign. 55 Nachl. 76,1
Druck: Edward Speyer, Wilhelm Speyer der Liederkomponist 1790-1878. Sein Leben und Verkehr mit seinen Zeitgenossen dargestellt von seinem jüngsten Sohne, München 1925, S. 35 (teilweise)

Frankfurt, 6ten Juli
1818.

Geliebter Freund,

Während Sie an den Ufern des Arno lustwandeln und nun bald den geheiligten klassischen Boden der alten Roma betreten werden, geht hier alles seinen ruhigen, gewöhnlichen und prosaischen Gang; vormittags Proben, abends Oper, bald gute, noch öfter schlechte Musik; dann und wann einmal ein freyer Vormittag, den ich gleich zur Arbeit benutze, der aber doch nie ohne Störung bleibt. So habe ich noch nicht einmal das 3. Quartett beenden können. – Einen angenehmen Ausflug habe ich mit vier Rudolstädter Freunden zum Mannheimer Musikfest gemacht1; der Kunstgenuß dort, wo man die Jahreszeiten ziemlich mittelmäßig herunter leierte, war nicht groß, desto größer aber die Naturgenüsse auf der Bergstraße und in Heidelberg in Gesellschaft von gebildeten, frohen Menschen. Wir waren zu Fuß, machten nur kleine Tagereisen und besuchten alle interessanten Punkte zur Rechten und Linken. Da wurde dann von den Höhen alter Ruinen der scheidenden Sonne bald ein Horntrio, bald ein vierstimmiger Gesang, bald ein Lied mit Gitarrenbegleitung nachgesandt. O es waren köstliche Abende! – Ich werde von allen Seiten so um Saiten geplagt, daß ich Sie, geliebter Freund bitte, mir wenn es ohne Beschwerde geschehen kann, noch folgende Saiten, außer den bereits aufnotirten, gefälligst mitzubringen: nämlich 15 Stock Quinten, 10 Stock A, und 6 Stock Violin- und Violoncell D. untereinandergemischt, wo möglich von recht verschiedener Stärke, da sie zum Harfenbezug bestimmt sind. D[ann?] bitte ich Sie ja nicht etwa einen sogenannten bereits sortirten Harfenbezug zu kaufen, weil ich weiß, daß man in den Fabriquen den Abfall, das schlechteste Zeug, zu Harfenbezügen sortirt. Verzeihen Sie ja, daß ich Sie so mit Kommissionen plage und geben Sie mir nur auch einmal Gelegenheit mich Ihnen gefällig zu zeigen. – Frau und Kinder grüßen herzlichst.

Ewig Ihr Freund Louis Spohr.

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Speyer, Wilhelm
Erwähnte Personen: Holleben, Anton von
Methfessel, Albert
Müller, Friedrich
Sommer, F.
Erwähnte Kompositionen: Haydn, Joseph : Die Jahreszeiten
Spohr, Louis : Quartette, Vl 1 2 Va Vc, op. 45.3
Erwähnte Orte: Heidelberg
Mannheim
Rom
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1818070602

https://bit.ly/

Spohr



Der letzte überlieferte Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Speyer, zwischen Januar und Juli 1818.

[1] Bei den Freunden handelt es sich um Karl Ludwig Anton von Holleben, F. Sommer, Friedrich Müller und Albert Methfessel (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 52-55, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbst-Biographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 62-65. 

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (20.01.2016).

Frankfurt, 6. Juli 1818.

Geliebter Freund,
Während Sie an den Ufern des Arno lustwandeln und nun bald den geheiligten klassischen Boden der alten Roma betreten werden, geht hier alles seinen ruhigen, gewohnten und prosaischen Gang: vormittags Proben, abends Oper, bald gute, noch öfter schlechte Musik; dann und wann einmal ein freier Vormittag, den ich gleich zur Arbeit benutze, der aber doch nie ohne Störung bleibt. So habe ich noch nicht einmal das 3. Quartett beenden können. – Einen angenehmen Ausflug habe ich mit vier Rudolstädter Freunden zum Mannheimer Musikfest gemacht. Der Kunstgenuß dort, wo man die ,Jahreszeiten’ ziemlich mittelmäßig herunterleierte, war nicht groß, desto größer aber die Naturgenüsse auf der Bergstraße und in Heidelberg in Gesellschaft von gebildeten frohen Menschen. Wir waren zu Fuß, machten nur kleine Tagereisen und besuchten alle interessanten Punkte zur Rechten und Linken. Da wurde dann von den Höhen alter Ruinen der scheidenden Sonne bald ein Horntrio, bald ein vierstimmiger Gesang, bald ein Lied mit Gitarrenbegleitung nachgesandt. O, es waren köstliche Abende! ...
Ewig Ihr Freund
Louis Spohr.