Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 54f.

Wiesbaden den 28sten Juli
17.

Hochgeehrter Freund,1

Ihren lieben Brief vom 8ten dieses habe ich von Hrn. Witzenmann nach Mannheim nachgeschickt erhalten. Das Paquet war noch nicht angekommen; ich habe ihm aber bereits eine Adresse gegeben, wohin er es senden soll, damit es sicher in meine Hände komme.
Ihre Klagen über die Schwierigkeit meiner Sachen sind nicht ohne Grund, das gestehe ich selbst ein. In Hinsicht der Duetten hatte ich mich selbst getäuscht; das sahe ich ein, wie ich sie zum erstenmal in Mayland mit Rolla spielte2, wozu ich früher in der Schweitz keine Gelegenheit gefunden hatte. Indessen ist es nur das 3te was besonders schwer ist; die beyden ersten sind würklich leichter wie meine frühern. Auch kann ich kaum glauben, daß sich jemand durch die Schwierigkeit sollte abhalten lassen sie zu spielen, da Dilettanten sich gewöhnlich an schwerere Sachen wagen als sie bezwingen können und das Duett nicht zum Auftreten vor Leuten sondern zur Selbstunterhaltung bestimmt ist. Auch sind die Schwierigkeiten nicht absichtlich von mir zusammengehäuft sondern dadurch entstanden, daß ich meinen Duetten mehr inneren Werth und mehr Reichthum in der Harmonie zu geben suche als Kompositionen dieser Gattung gewöhnlich haben. Das zieht, glaube ich, dann auch wieder Spieler an, die an der gewöhnlichen, magern und geistlosen Komposition eines Duetts keinen Gefallen finden würden. Mit alle diesem will ich aber nicht behaupten, daß meine Sachen nicht leichter seyn könnten ohne an innern Werth zu verlieren; es ist aber unendlich schwer beydes miteinander zu verbinden. Daß ferner die Sachen, die ich ursprünglich zu meinem Gebrauch geschrieben habe und dann später dem großen Publico mittheile, schwer seyn müssen, ist wohl natürlich; allein auch diese kaufen sich die gebildetern Spieler, Künstler und Dilettanten zur Selbstübung, wenn sie auch nicht wagen öff[ent]lich damit aufzutreten. Wenigstens habe ich schon oft bey solchen eine vollständige Sammlung meiner gestochenen Violinsachen gefunden ohnerachtet sie nichts davon öffentlich spielen konnt[en.] Um aber Sie und alle die, denen meine Sachen zu schwer sind, zufrieden zu stellen, verspreche ich Ihnen, daß3 die nächsten 3 Violin-Quartetten, welche ich, sobald ich nun in Ruhe komme, zu schreiben gedenke, so leicht werden sollen, daß wir sie ausdrücklich den Dilettanten dediciren wollen. Ein Wenig habe ich das Leichtschreiben schon in Italien gelernt und hoffe in London noch mehrere Fortschritte zu machen.
[Ich schicke diesen Brief, damit er schneller in Ihre Hände komme, mit der reitenden Post. Das Paquet folgt mit erster fahrender nach.]4 Beykommend erhalten Sie den Potpourri für Violine und Pianoforte Œuv. 42 und das Quatuor brillant Œuvr. 43. Die vierstimmigen Gesänge (Œuvre 44) behalte ich noch zurück, weil ich sie noch nicht habe gut singen hören wozu sich bey der eiligen Reise keine Gelegenheit finden wollte und weil ich veranlaßt werden könnte noch manches zu ändern.Sie sollen aber früher nachfolgen als Sie sie gebrauchen werden. In Hinsicht des Honorars habe ich eine Bitte, nemlich die, daß Sie die Güte haben möchten, es in einem Wechsel nach Genf an den Herrn Oberpfarrer Gerlach [an der Lutherischen Kirche zu Genf]5 zu schicken. Ich habe dort in Auftrag eine Uhr und einige andere Sachen bestellt die längst fertig sind und die ich nun bezahlen muß.6 Diese kosten 16 Napoleond’or und 4 Louisd’or oder Carolin in Gold zusammen. Sie würden mir viele Weitläufigkeiten ersparen, wenn Sie die Güte hätten einen Wechsel über diese Summe, (nemlich 16 Napoleond’or und 4 Louisd’or in Gold) auf ein Handelshaus in Genf gestellt, gerade zu an den Herrn Oberpfarrer Gerlach, der von allem unterrichtet ist, zu schicken. Die 4 oder 5 Rth. die diese Summe mehr beträgt als das bestimmte Honorar von 100 Rth. Sächs. bitte ich mir zu creditiren, bis wir wieder ein Geschäft zusammen machen.
Da ich mit der heutigen Post nach Genf schreibe, daß das Geld bald kommen werde, so würden Sie mich verbinden wenn Sie die Abschickung des Wechsels ein wenig beeilten. Um Herrn Gerlach für seine Gefälligkeit keine Kosten zu machen bitte ich den Brief an ihn zu frankiren und dafür zu sorgen, daß ihm das Geld ohne Abzug ausgezahlt werde. Alle Porto- und andere Kosten bitte ich mir zu notiren.
Ich bin in Verlegenheit welche Adresse ich Ihnen für den nächsten Brief geben soll. Da wir uns in den Städten Aachen, Spaa, Lüttich, Mastrich ziemlich lange aufhalten werden, so würde mich Ihr Brief, wenn Sie mich bald damit erfreueten, am sichersten treffen wenn Sie ihn ihn nach Aachen poste restante adressirten. Sollten wir auch schon abgereiset seyn, so sind wir doch in der Nähe und ich werde schon sorgen daß er mir nachgeschickt werde. – Ich bin sehr begierig auf eine Antwor[t] von Hrn. Ries. Sollte er in dem Briefe, den Sie von ihm erwarten, meines Briefes an ihn von Neapel7 aus nicht erwähnen, so müßte ich daraus schließen, daß er ihn nicht erhalten hätte und sogleich wieder an ihn schreiben. Ich bitte Sie daher recht sehr, mich doch ja gleich nach Empfang eines Briefes von ihm hierüber etwas wissen zu lassen. Denn die Antwort von ihm soll erst entscheiden, ob wir überhaupt nach London gehen.8 – Verzeihen Sie mir ja die Unbescheidenheit, Sie mit so vielen Bitten zu belästigen und geben Sie mir bald Gelegenheit Ihnen auch einmal gefällig zu seyn.
Mit ausgezeichneter Hochachtung und herzlicher Freundschaft

der Ihrige
Louis Spohr.

NS. Die Vorerinnerung, welche Sie, auf ein besonders Blatt geschrieben, im Potpourri liegend, finden werden, wünsche ich nicht bloß vor diesem, sondern auch vor Œuvre 43 und 44 abgedruckt zu sehen, weil diese Sachen von so verschiedenen Käufern gekauft werden.



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief von Peters an Spohr, 08.07.1817. Peters beantwortete diesen Brief am 29.08.1817.

[1] Auf der ersten Seite des Briefes befindet sich außerdem noch von anderer Hand der Eingangs- und Antwortvermerk des Verlags: „1827 / 28. July / 9 Aug. / 29 '' / Gotha / Spohr.“

[2] Spohrs in den Lebenserinnerungen wiedergegebenen Tagebucheinträge seines Mailand-Aufenthalts erwähnen zwischen dem 9. und 28.09.1816 zwar mehrfach Rolla, jedoch nicht die Duos op. 39 (Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 1, S. 245-253, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 1, Kassel und Göttingen 1860, S. 276-282).

[3] Gestrichen: „ich“.

[4] Diese beiden Sätze sind am Rand des Briefs eingefügt. Von anderer Hand, vermutlich dem Redakteur des Drucks in der Leipziger allgemeinen musikalischen Zeitung, später mit Rötelstift eingeklammert und mit „nicht” versehen.

[5] Am Rand eingefügt.

[6] Den Lebenserinnerungen zufolge lieh Spohr von Gerlach Geld, um etwas zu essen kaufen zu können (Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 2, S. 44, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 53f.).

[7] Dieser Brief ist derzeit verschollen.

[8] Ries antwortete Spohr am 21.10.1817.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.09.2016).