Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.5 <Peters 18170325>
Druck 1: „Briefe L. Spohr’s an das Haus Peters in Leipzig”, in: Leipziger allgemeine musikalische Zeitung 2 (1867), S. 290f., 299, 314f., 338f., 346f., 363 und 379, hier S. 346f. (teilweise)
Druck 2: Autographen. Auktion am 23. und 24. November 1971 (= Katalog Stargardt 597), Marburg 1971, S. 207 (teilweise)

Neapel den 25sten März 17.1
 
Geliebter Freund,
 
Ihren lieben Brief vom 10ten Januar habe ich erst gestern von Rom nachgeschickt erhalten. Ich danke Ihnen herzlich für die in ihm enthaltenen Nachrichten und bitte Sie mich dann und wann mit ähnlichen zu erfreuen. Auch ersuche ich Sie, Herrn Hofrath Rochlitz meinen besten Dank zu sagen, daß er denen, meine Reise betreffenden Nachrichten einen Platz in d M. Zeitung hat gönnen wollen2 und daß ich ihn um eine gleiche Gunst für die beyliegenden, neuen bitte.3 Sollte er finden, daß sie für die Leser d. M.Z. einiges Interesse haben könnten, so würde ich von der Rückreise und später aus Frankreich und England ähnliche nachfolgen lassen.
In Hinsicht Ihres Auftrags, Ihnen die beste Saitenfabrique ausfindig zu machen, kann ich Ihnen nunmehr, da ich die Saiten durch ganz ltalien probirt habe, die genaueste Auskunft geben. Die hiesigen sind ohne Zweifel die besten und selbst den Römischen vorzuziehen. In den Monathen Juni, Juli und August nämlich, in welchen die besten fabricirt werden, hat man in Rom keine frischen Gedärme mehr, weil man dort um Ostern schon aufhört, Lämmer zu schlachten, während hier den ganzen Sommer über Lammfleisch gegessen wird; dort ist man daher genöthigt in den Monathen, die der Saitenfabrikation am günstigsten sind, aufbewahrte und von zu jungen Thieren genommene Gedärme zu verarbeiten, während man hier immer das frischeste und beste Material hat. Demohngeachtet werden auch hier in allen Fabriken neben den guten Saiten auch schlechte gemacht und wollten Sie sich direct an einen der Fabrikanten wenden, die sämtlich, wie man mich versichert, Menschen ohne Treu und Glauben sind, so werden Sie sicher, wenigstens beym 2ten Transport schlechte Waare bekommen. Ich schlage Ihnen daher vor, sich mit Ihren Bestellungen stets an einen meiner hiesigen Freunde zu wenden, der als ein vorzüglicher Violinist die nöthige Sachkenntnis hat uns gern die Mühe übernehmen will, bey mehreren Fabrikanten die Saiten, Bund für Bund auszuwählen, sorgfältig einzupacken und Ihnen zu überschicken. Es ist dies der Procuratore del Re, Sig. Gennaro Aitoro und wohnt in der Strada S. Liborio No 65 2do piano. Da er nur wenig französisch versteht, müßten Sie ihm italiänisch schreiben. Durch ihn erhält schon viele Jahre lang Kreutzer in Paris seine Saiten. Die Preise sind hier bey allen Fabrikanten dieselben. Ich lege Ihnen den Preiszettel von einem derselben bey, auf welchem das hiesige Geld zugleich nach Franz. Franks berechnet ist. Wollten Sie noch diesen Sommer eine Bestellung machen, müßten Sie damit eilen, damit Hr. Aitoro in den guten Monathen die Auswahl treffen kann. – In Hinsicht Ihres zweiten Auftrags kann ich Ihnen aber nichts befriedigendes melden. Man verkauft hier zwar an einigen Orten gestochene Musik; der ganze Handel ist aber höchst unbedeutend und ich mögte Ihnen nicht rathen sich mit einem dieser Musikhändler in Geschäfte einzulassen.
Da Sie mir von der Aufführung meiner Oper in Prag nichts schreiben, so schließe ich daraus, daß bis zum Abgang Ihres Briefs noch kein Bericht darüber in der M. Zeitung erschienen war.4 Aus einem Briefe von C.M. v. Weber an Meierbeer habe ich gesehen, daß sie Ende September einigemale mit großem Beyfall gegeben war.5 Sollte ein Bericht darüber erscheinen, so bitte ich Sie nochmals ihn Ihrem nächsten Brief beyzulegen. Da ich mich auf der Rückreise nirgends lange aufhalten werde, so ersuche ich Sie, diesen sogleich nach Bern unter der Adresse des Professor Henke zu schicken.
In dem Briefe von Herrn Ries6, den Sie mir zugeschickt haben wird mir der Vorschlag gemacht, mich bey dem großen Winterconcert in London unter Direction der Herren Viotti, Cramer, Clementi p.p. engagiren zu laßen. Für diesen Winter kommt der Antrag nun freilich zu spät, für den nächsten werde ich aber vieleicht Gebrauch davon machen. – Ihr Wunsch, nach meiner Zurückkunft wieder etwas neues von mir zu haben, ist mir sehr schmeichelhaft und ich werde sicher nächsten Sommer wieder Muße finden etwas7 zu schreiben. Haben Sie die Güte mir in Ihrem nächsten Briefe zu melden, welche Gattung von Kompositionen Sie am liebsten haben mögten.
 
Unter herzlichen Grüßen an meine Leipziger Freunde
ganz der Ihrige
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf den verschollenen Brief Peters an Spohr, 10.01.1817. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Peters, 27.05.1817.
 
[1] Am linken Seitenrand befindet sich von anderer Hand der Empfangs- und Antwortvermerk des Verlags: „10 [???] / 25 Merz / 21. April / 9 July. / Neapel / Spohr”.
 
[2] Vgl. Louis Spohr, „Florenz, den 10ten Novemb.”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 18 (1816), Sp. 866f., das weitgehend auf Spohr an Peters, 10.11.1816 beruht.
 
[3] Louis Spohr, „Neapel, den 25sten März”, in: ebd. 19 (1817), Sp. 320-327.
 
[4] Eine Besprechung von Spohrs Oper Faust erschien in dieser Zeitschrift erst am 06.05.1818 nach der Erstaufführung in Frankfurt („Frankfurt am Mayn”, in: ebd. 20 (1818), Sp. 312-315 und 335-340, hier Sp. 335-340).
 
[5] Die Uraufführung des Faust fand am 01.09.1816 unter der Leitung von Carl Maria von Weber in Prag statt (vgl. Karl Maria von Weber, „Dramatisch-musikalische Notizen”, in: Kaiserlich-Königliche privilegirte Prager Zeitung (1816), S. 975). – Der erwähnte Brief von Weber an Meyerbeer scheint derzeit verschollen zu sein; Spohr erwähnt diesen Brief auch in seinem Tagebucheintrag vom 23.12.1816 (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 1, S. 299, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 333f.; [Ergänzung 11.06.2021: erschlossen als Carl Maria von Weber an Giacomo Meyerbeer, zwischen 05. und 11.09.1816, in: Carl-Maria-von-Weber-Gesamtausgabe. Digitale Edition]; vgl. Giacomo Meyerbeer, Briefwechsel und Tagebücher, Bd. 1, hrsg. v. Heinz Becker, Berlin 1960, S. 319).
 
[6] Vgl. Ferdinand Ries an Spohr, 10.12.1816.

[7] Hier gestrichen: „neues”.
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (07.09.2016).