Autograf: Spohr Museum Kassel (D-Ksp), Sign. Sp. ep. 1.5 <Peters 18161110>
Druck: Autographen. Auktion am 23. und 24. November 1971 (= Katalog Stargardt 597), Marburg 1971, S. 206f. (teilweise)

Florenz den 10ten November
1816.
 
P. P.
 
Ihren lieben Brief vom 10ten Sept. habe ich erst vor ein paar Tagen erhalten, ohnerachtet ich gleich bey meiner Ankunft hier auf der Post nach Briefen fragte. Ob er unterwegs liegen geblieben ist, oder ob man bey meiner Nachfrage meinen Nahmen nicht verstanden hat, weiß ich nicht. Ich eile aber um so mehr ihn zu beantworten.
In Hinsicht Ihrer Anfrage wegen der besten Violinsaiten kann ich Ihnen vorläufig folgendes melden. Es existirt in Padua eine Fabrique, die mir schon in Mayland gelobt wurde, von der aber die Geiger in Venedig versichern, sie sey die beste in ganz Italien. Ich bezog in Venedig meine Violine mit Saiten aus dieser Fabrique und fand sie in jeder Hinsicht sehr vorzüglich. Sie haben einen starken und dabey weichen Ton, ohne erst lange gespielt zu seyn und sind zugleich sehr dauerhaft. Bey der in Italien beynah um einen halben Ton höhern Stimmung wie in Deutschland ist mir bis jezt noch keine davon gerissen und ich habe sie endlich abziehen müssen, nachdem sie ganz rauh gespielt waren. Hier probirte ich Saiten aus Rom, fand sie aber nicht so gut wie jene. Sie halten zwar auch sehr gut, sind aber hart im Ton und man findet selten einen reinen Zug. Ich habe mir daher eine Parthie Saiten aus Padua verschrieben; diese erwarte ich in kurzem und zugleich auch die genaue Adresse der Fabrique und ihr Preißcourante. Sobald ich die Saiten erhalten und nochmals erprobt habe, werde ich Ihnen die Adresse schicken. Ich kenne in Venedig einige Freunde des Besitzers der Fabrique, die mir ihn als einen rechtlichen Mann gewähnt haben, der es sich zur Pflicht mache seinen Kunden nur gute Ware zu schicken. Da er einen großen Absatz hat, so muß man Bestellungen auf größere Quanditäten immer einige Monath voraus machen. Die Saiten aus seiner Fabrique die ich in Venedig kaufte, habe ich aber ziemlich theuer bezahlen müssen; 30 Stück vierdrähtige Quinten von bester Qualität mit 20 Lire, nach sächs. Gelde ohngefähr 2 Rth. 12 Sgr. Vieleicht sind sie aber in der Fabrique selbst wohlfeiler. Über alles dieß werde ich Ihnen sogleich nach Empfang der Saiten schreiben, so wie ich Ihnen auch nach vorher gehaltener genauer Prüfung die Adresse der besten Fabrique in Rom und Neapel senden werde.
In Hinsicht Ihrer 2ten Anfrage kann ich Ihnen aber nicht viel tröstliches melden. Man kennt hier und
tiefer in Italien unsere Instrumental-Musik fast gar nicht und verlangt sie auch nicht kennen zu lernen; es ist daher auf einen bedeutenden Absatz nicht zu rechnen. Doch giebt es in jeder Stadt einige Dilettanten die Quertettmusik bey sich machen und unsere Musik gern kaufen würden, wenn sie sie im Ort bekommen könnten. Ich glaube daher daß Quartetten, Quintetten, Duetten, allenfals auch Concerte und Variationen für Violine einigen Absatz würden. – In Venedig habe ich keinen Musikhändler kennen lernen, den ich Ihnen mit gutem Gewissen empfehlen könnte; hier habe ich aber die Bekanntschaft eines solchen in Hrn. Lorenzi gemacht der mir als ein sehr rechtlicher Mann gerühmt worden ist. Seine Adresse haben Sie schon durch Herrn Campagnoli erhalten, der auch bereits, wie er mir sagt, Bestellungen für ihn bey Ihnen gemacht hat. Sollte ich Ihnen von Rom und Neapel ähnliche Adressen geben können, so werde ich es nicht versäumen.
Nun habe ich Ihnen eine Bitte vorzutragen. Bey meiner Abreise aus Deutschland ließen sich viele meiner dortigen Freunde von mir versprechen, daß ich ihnen aus Italien über den Erfolg meiner Reise genauen Bericht erstatten wolle; es bleibt mir aber bey den Arrangements meiner Concerte und dem Besehen der Kunstwerke und aller Merkwürdigkeiten nur sehr wenig Zeit zur Führung meines Tagebuchs und gar keine zur Correspondenz mit meinen zahlreichen Freunden in Deutschland und der Schweitz, so daß ich nicht im Stande bin, jenem Versprechen in einzelnen Briefen genüge zu leisten. Ich wünschte daher, daß Sie Herrn Hofrath Rochlitz in meinem Nahmen bitten mögten, daß er die Güte hätte, meine Briefe über meine bisherige Reise in Italien in die musik. Zeitung einzurücken, zu welchem Behuf ich Ihnen hier die nöthigen Nachrichten geben und zugleich auch die Zeitungen von Mayland, Venedig und Florenz beylegen werde, in welchen von meinen bis jezt gegebenen Concerten die Rede ist.1 Dieser Bericht könnte bey meinen Freunden, die sämtlich Leser der musik. Zeitung sind, die Stelle der versprochenen Briefe ersetzen und auch vielleicht manchem reisenden Künstler zur Warnung dienen, die Reise nach Italien nicht zu unternehmen, wenn es ihm nicht auch wie mir Hauptzweck ist, das schöne Land und seine Kunstwerke kennen zu lernen und er dazu eine, für einen Künstler bedeutende Summe anwenden kann und will. Denn so viel kann ich aus den bisher gesammelten Erfahrungen schon abnehmen, daß man die Ehre von den Italiänern als Künstler gekannt zu seyn ziemlich theuer bezahlen muß und daß es einem Instrumentalisten, auch bey den günstigsten Umständen nicht gelingen wird so viel zu gewinnen wie die Reise kostet, und zwar 1.) weil die Eintrittspreise in ganz Italien äußerst geringe sind und mit den bedeutenden Concert-Unkosten in gar keinem Verhältniß stehen und 2.) weil die Instrumental-Musik nicht allgemein genug geliebt und geachtet wird. In Mayland z. B. wo ich mein Concert im großen Theater Della Scala gab, hatte ich 50 Dukaten Concert-Unkosten und doch durfte ich den bei der großen Oper gewöhnlichen Eintrittspreis von 1 ½ Frank nicht erhöhen, weil die Italiäner gewohnt sind für diesen Preiß eine große Oper und zwey lange Ballets zu sehen. Es gehörten daher 400 Zuhörer dazu, um nur die Concert-Unkosten zu gewinnen und wirklich hatte ich auch nicht viel mehr, da an demselben Abend noch einige andre Theater spielten, welche Concurenz aber nie ganz zu vermeiden ist. In diesem Theater war überdieß auch nicht eine einzige Loge zu meiner Disposition, weil sie sämtlich Privatpersonen eigenthümlich gehören, die an der Kasse nur den Eintrittpreiß bezahlen wie jeder andre auch. Bey meiner 2ten Academie, wozu ich allgemein aufgefordert wurde, würde ich indessen sicher mehr gewonnen haben; ich muste aber darauf Verzicht leisten, weil der einzige freie Tag in jeder Woche schon zweymal besezt war, das erstmal durch eine Generalprobe von einem neuen Ballet und das andre Mal durch eine Festivität am Namenstage und ich weder in ein kleineres Theater übergehen, noch 3 Wochen länger in Mayland verweilen magte.
In Venedig wo ich zur aller ungünstigsten Zeit, im Monath October, wo alle Welt auf dem Lande ist, Concert im Theater St. Luca gab, hatte ich demohngeachtet einen größern Gewinn wie in Mayland; doch wieder rieth man mir, vor Mitte November, wo die beaumonde vom Lande zurückkehrt, ein 2tes Concert zu geben. So lange konnte ich aber nicht in Venedig verweilen. In Bologna wurde es mir ganz wiederrathen Concert zu geben, weil ich, wenn es auch recht glücklich ginge, doch kaum die Concertunkosten machen würde. Hier endlich, wo ich vor einigen Tagen in dem großen und schönen Theater della Pergola Concert gab, hatte ich bey den wieder sehr bedeutenden Unkosten und dem geringen Eintrittspreise von 3 Paul2 auch keinen großen Gewinn. Die Freigebigkeit des Großherzogs3, der mein Concert mit seiner Gegenwart beehrte, entschädigte mich aber hinlänglich dafür. Nächsten Donnerstag den 14ten werde ich, von den Musikfreunden aufgefordert, ein 2tes Concert geben, von dem ich einen größeren Erfolg hoffen darf.4
Außer dem geringen Gewinn hat man in Italien aber auch mit unendlichen Schwierigkeiten zu kämpfen bis man ein Concert zu Stande bringt. Besonders hält es schwer Sänger zu bekommen, da die Impressarien ihren Sängern nie erlauben in Concerten zu singen. Ist man endlich so glücklich welche zu finden, so muß man sie auch noch bezahlen, wodurch die Concertunkosten eben so bedeutend werden. Bezahlen muß man übrigens in Italien alles selbst die unbedeutendste Gefälligkeit, für die in Deutschland der ärmste Teufel Bezahlung anzunehmen, sich schämen würde. Es ist allso nur der Beyfall, der hier zu gewinnen ist; dieser ist aber auch in keinem Lande der Welt so tumultarisch. Ich mußte oft aufhören um das Publikum austoben zu lassen und mehrere male war ich genöthigt ein Musikstück zu wiederhohlen. Am meisten scheint ihnen ein neues Violinconcert in Form einer Gesangsene welches ich mir vorigen Sommer in der Schweitz zur Reise in Italien geschrieben habe, zu gefallen, so wie überhaupt alles, was sich ihren Gesangformen nähert, den meisten Eindruck auf sie macht.
Von einem Reisenden erfuhr ich vor ein paar Tagen, daß meine Frau in Deutschland (Gottlob zu voreilig!) todt gesagt sey. Ich wünschte daher, daß unsere Freunde durch die musik. Zeitung von ihrem Wohlbefinden benachrichtigt würden. Sie war zwar im Frühjahr an einem rheumatischen Nervenfieber gefährlich krank und litt einige Zeit an den Folgen dieser Krankheit; ein fünfmonathlicher ländlicher Aufenthalt in der Schweitz und die Reise in dem milden Italiänischen Clima haben ihr aber ihre verlohrnen Kräfte wiedergegeben und sie befindet sich jezt sehr wohl. Auf den Rath des Arztes mußte sie sich aber entschließen ihrem Instrumente, als einem die Nerven angreifenden, auf einige Zeit zu entsagen und dieß ist die Ursache warum sie auf dieser lezten Reise als Harfenistin nicht aufgetreten ist und ihrer in den Berichten in den Zeitungen als solcher nicht erwähnt wird. Nach unserer Zurückkunft in die Schweitz, wo sie ihr Instrument zurückgelassen hat, hofft sie sich ihm aber von neuem widmen zu können.
In 8 Tagen werden wir nach Rom abreisen und dort länger wie in den übrigen Italiänischen Städten verweilen. Den 2ten Februar, wo das St. Carlo Theater von neuem eröffnet werden wird, hoffen wir aber schon in Neapel zu seyn.5
Vorstehendes wäre es allso, wenn ich meine Freunde und alle die, welche sich für uns als Künstler interessiren, durch die mus. Zeitung unterrichtet zu sehen wünschte. Ich überlasse es Herrn Hofrath Rochlitz, wenn er meinen Wunsch überhaupt will stattfinden lassen, die obigen Nachrichten auf die Art einzukleiden die ihm die beste scheinen wird.
Ich habe seit wir in Italien reisen über alles das, was wir Interessantes gehört und gesehen haben ein Tagebuch geführt6 und glaube, daß manches daraus wohl die Leser der mus. Zeitung interessiren würde. Sollte H. Hofrath Rochlitz Auszüge aus diesem Tagebuch, die musikalischen Gegenstände betreffend, für die Zeitung benutzen können und wollen, so würde ich sie ihm mit Vergnügen senden.
Ein Reisender, der eben aus Deutschland kommt, hat in Prag einer Probe meiner Oper Faust beygewohnt und mir versichert, daß sie jezt längst gegeben seyn würde.7 Sollte in einer der mus. Zeitungen ein Bericht über die Aufführung derselben stehen, so würden Sie mich sehr verbinden wenn Sie die Güte hätten mir dieses Blatt nach Rom zu schicken, indem ich, wie Sie leicht denken können, äußerst begierig bin, den Erfolg dieser Aufführung zu erfahren; so wie ich Sie überhaupt ersuche mich recht bald mit einem Briefe dahin (poste restante) zu erfreuen der wohl viel mus. Neuigkeiten aus Deutschland enthält.
Schließlich bitte ich meine Leipziger Freunde recht herzlich von mir zu grüßen.
Mit vorzüglicher Hochachtung
 
der Ihrige
Louis Spohr.8

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Peters
Peters, Carl Friedrich
Erwähnte Personen: Campagnoli, Bartolomeo
Lorenzi, Giuseppe
Rochlitz, Friedrich
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen: Spohr, Louis : Faust
Spohr, Louis : Konzert in Form einer Gesangszene, Vl Orch, op. 47
Erwähnte Orte: Bologna
Florenz
Mailand
Neapel
Padua
Rom
Venedig
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1816111020

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Peters an Spohr, 10.09.1816. Peters' Antwortbrief vom 10.01.1817 ist derzeit ebenfalls verschollen.
 
[1] Vgl. Louis Spohr, „Florenz, den 10ten Novemb.”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 18 (1816), Sp. 866f.
 
[2] Der Paolo war eine päpstliche Münze, die das Bild des Apostels Paulus trug und ein Zehntel des silbernen Scudo wert war.
 
[3] Ferdinand III.
 
[4] Am 15.11.1816 notierte Spohr in sein Reisetagebuch: „Unser gestriges Konzert war nicht besuchter als das erste und hat uns folglich nichts eingetragen. Ich habe mich nun überzeugt, daß für einen Instrumentalisten auch unter den günstigsten Umständen, wenigstens in Florenz, nichts zu gewinnen ist“ (Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 1, S. 282, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 2, Kassel und Göttingen 1861, S. 313f.).
 
[5] Tatsächlich verließen die Spohrs Rom am 20.01.1817 und trafen am 25.01. in Rom ein.
 
[6] Dieses ist teilweise im ersten Band von Spohrs Lebenserinnerungen abgedruckt.
 
[7] Faust wurde am 01.09.1816 durch Carl Maria von Weber in Prag uraufgeführt.
 
[8] Auf der letzten Seite des Briefes finden sich von anderer Hand noch der Eingangsvermerk des Verlags: „1816 / 10 Nov. / 24 '' / Jan. 1817 / Florenz / Spohr“, sowie einige Zahlenkolumnen (Additionen).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (05.09.2016).