Autograf: Universitätsbibliothek Kassel - Landesbibliothek und Murhardsche Bibliothek der Stadt Kassel (D-Kl), Sign. 4° Ms. Hass. 287

Herrn Capellmeister Spohr
in Thierachern
bey Thun
Canton Bern


Munster 25 July 1816.

Mein theuerster Freund Spohr.

Wenn ich Ihnen nicht sogleich auch ihr schätzbares Schreiben vom 27. Juny antwortete, so verzeihen Sie mir, denn meine Liebe, meine Anbetung an Sie ist immer die nemliche wo nicht größer. Seit ich Ihnen schrieb, hatte ich soviel verdrießliche angelegenheiten daß ich leider Wenig der Musik genießen konnte, und mir so zu sagen das Lebens überdrüßig war. Ich wollte Ihnen auch schon etwas bestimmtes über meinen besuch zu Ihnen sagen. Denn meine Reise nach Freyburg hatte keinen andern Zweck als Sie zu sehen. Daher wäre ich in jedem Fall zu erst nach Thierachern zu Ihnen gekommen. Unglücklicher weise werde ich diesen meinen Plan nicht vollführen könne. Wobey meine Reise nach Paris nicht länger als gegen die Mitte künftigen Monat aufgeschoben werden kann. Schon habe ich auch eine Reise nach Beaueine(???)1 beseitigt wo ich wirklich sein sollte, um den Vergnügen zu haben sie zu sehen. allein dringende umstände für unsre geschäfte fordern mich je eher je lieber nach Paris. Kann ich auch dies noch zurück schieben. so haben sie mich ohnfehlbar bey Ihnen. In jedem fall werde ich Ihnen noch etwas melden. Gehe ich nach Paris, so ist meine adresse –2
bey Mr Soehnée l’ainé et C
Rue Richeliu No 106. –
Kann ich Ihnen alleda angenehm sein. so disponiren sie ganz über ihren freund. – Könnte ich Sie nicht erhaschen vor ihre Reise nach Italien3 so ist meine schmerz über dieses hinderniß unauslöschlich – gerade wie ihr so angenehmer Umgang und lehrreiche unterhaltung da ewig in meinem Herzen eingeprägt ist. –.
Das die Musicalische Gesellschaft in freyburg ihre Gegenwart nicht benutzt um das ganze zu dirigiren4 zeugt nicht zu ihrer Gunst.5 Herr Tollmann selbstes sollte froh sein Ihnen diese Direction aufladen zu können – denn die hätte ja keinen bezug für folgende Jahre. Überdies theurer Freund. verhüten sie sich viel bößes Geblüte, wie mann sagt. indem sie so blos als Zuhörer auftreten. denn im ganzen mache ich mir blos eine lärmende Idee vom feste. und für mich hätte es blos anzug durch ihre herrliche Leitung –. Sie sehen daß nicht alles in der Welt ist wie es sein sollte. –.
Mich und alle Musik Liebhaber freut es recht sehr zu wißen daß sie so fleißig an compositionen arbeiten und zum stiche befördern. denn je mehr wir ihre Werke kennen je mehr lieben wir sie. –. Lafont hat kürzlich in Paris Concert gegeben und sehr viel aufsehen gemacht. Durand ist wieder in Strasburg. Baumann aus Berlin wird mich künftiges Frühjahr besuchen wie er mir kürzlich schrieb. –
Seitdem ich Hn Streicher in Wien die 2 Pianos bestellte bin ich ohne seine Berichte. darf ich Sie bitten ihm dieselben neuerdings zu recommandiren6. Sie würden mich sehr dadurch verbinden –. Auch wenn ich nicht mehr die Freude hätte sie vor ihrer abreise nach Italien zu sehen. Wenn sie mir in jenem lande 20 o 30 pfund vom besten fagott rohr holz könnten zu schicken – würden sie mir7 den größten Vergnügen in der Welt verschaffen. denn in dieser hinsicht bin ich fortlaufend sehr schlecht bestellt. Ich wünschte aber von der besten qualität die expidirt – recht zeitig – hart und gesundes rohr. –. Ihre Freundschaft läßt mich auf diese gefälligkeit hoffen. In jedem fall hoffe ich daß sie mir immer den Ort ihrer aufenthalte melden werden. ich werde auch richtiger antworten, – bis ich Ihnen von andes wo schreibe, addressiren sie alle ihre briefe hieher – mann will mir Sie richtig zu schicken wo ich auch sein könnte. –. Meine ganze Familie empfiehlt sich Ihnen und der lieben Made Spohr. Ich und Herr Mayer erinnern uns besonders an ihr andenken; Sie schätzbarer Freund vergeßen Sie nie die ihrigen im Münsterthale – und zählen Sie stets auf ihre Hochachtung und vollko[mmene] Ergebenheit Ihres

J. Hartmann

Autor(en): Hartmann, Jacques
Adressat(en): Spohr, Louis
Erwähnte Personen: Baumann (Berlin)
Durand, August
Mayer (in Münster bei Colmar)
Tollmann, Johann Michael
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte: Freiburg im Üechtland
Paris
Thierachern
Erwähnte Institutionen: Schweizer Musikgesellschaft
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1816072546

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Spohr an Hartmann, 27.06.1816.

[1] Verunglückte Schreibung für Baveno, einem der Reiseziele Spohrs (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen,, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 1, S. 82, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 1, Kassel und Göttingen 1861, S. 83)?

[2] Hier gestrichen: „bey“.

[3] „Italien“ über gestrichenem „Paris“ eingefügt.

[4] Hier ein Buchstabe gestrichen.

[5] Zu diesem Vorgang vgl. Lebenserinnerungen, S. 233, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; Selbstbiographie, Bd. 1, S. 263).

[6]recommandiren, empfehlen, anpreisen“ (Friedrich Erdmann Petri, Gedrängtes Deutschungs-Wörterbuch der unsre Schrift- und Umgangs-Sprache, selten oder öfter entstellenden fremden Ausdrücke, zu deren Verstehn und Vermeiden, 3. Aufl., Dresden 1817, S. 394).

[7] Hier ein Wort gestrichen.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (27.01.2023).