Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig, 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 46

Thieracher bei Thun im Kanton
Bern in der Schweitz den 18ten
May 1816.1

Wohlgeborner
Hochzuverehrender Herr,

Wie ich das lezte mal in Leipzig war, hatte ich die Ehre Ihnen zwey Sammlungen deutscher Lieder zum Verlag anzubiethen; Sie zogen aber damals die Harmoniemusick vor, weil Sie mit Ge[sang]kompositionen eben sehr überhäuft waren. Auf der lezt[en] Winterreise durch einen großen Theil von Deutschland, Elsa[ß] und die Schweiz habe ich diese Lieder so manchem Komponisten und Kenner vorgesungen, so manches Urtheil darüber gehört u[nd] über das Wesen der Liederkomposition so manches Gespräch m[it] diesen geführt, daß sich meine Ansichten darüber sehr geläute[rt] haben. Ich beschloß daher sie nicht eher herauszugeben als bis ich Muße gefunden hätte, mehrere derselben umzuarbeiten und einige neue hinzuzufügen. Seit 6 Wochen ist mir diese nach einem sehr unruhigen Winter endlich geword[en,] ich habe sie gleich zu obigem Zweck benuzt und auch schon einiges neue geschrieben.
Da ich nun in mehreren Jahren nicht nach Deutschland zurückkehren werde, indem ich gesonnen bin von hier aus eine Reise durch Italien und Frankreich nach Engeland zu mach[en,] so wünschte ich einige meiner neuesten Kompositionen, dam[it] sie nicht veralten, vorher noch herauszugeben. Ich nehme mi[r] die Freiheit mich deshalb an Sie zu wenden, weil es in der Schweitz keine Verlagshandlung giebt; (die Nägeli'sche hat seit ei[ni]gen Jahren bloß Kommissionshandel)2 und weil Ihr Verlag der korreckteste und eleganteste in ganz Deutschland ist. – Diese Kompositionen sind:
1.) Zwey Sammlungen deutscher Lieder.
2.) Drey große Duetten für 2 Violinen. (Nicht so schwer wie meine frühern; das 2te habe ich so eben beendigt.)
3.) Mein neuestes Violinconcert in Emol. (Das, was ich vorigen Herbst in Frankenhausen und im Laufe des Winters in allen bedeutenden Städten gespielt habe. – Ein früheres, von dem ich Ihnen vorigen Herbst schrieb, werde ich [???]3, gar nicht herausgeben und [???]4. [???]5
4.) Eine Polonaise6 für Violine mit Accompagnement des Orchesters, (die ich ebenfalls vorigen Winter beständig gespielt habe.
Ich offerire Ihnen diese Kompositionen, die ich aber nicht vereinzeln werde, für ein Honorar von 40 Carolin oder 80 Dukaten. Sollten Sie geneigt seyn den Verlag zu übernehmen, so würde ich Ihnen die Manuscripte nach Empfang Ihrer Antwort sogleich überschicken, indem bis dahin das 3te Duett auch fertig seyn wird. In jedem Fall ersuche ich Sie aber, mir so bald wie möglich zu antworten, indem ich in diesem Theil der Schweitz wohl nicht länger als gegen das Ende des nächsten Monaths verweilen werde. Adressiren Sie nur gefälligst directe hieher.
Darf ich Sie bitten meine Leipziger Freunde, Mathei und Schicht u.s.w. herzlich von mir zu grüßen.
Mit vorzüglicher Hochachtung

Ew. Wohlgeb.
ergebenster Diener
Louis Spohr.



Der letzte erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Peters, 13.09.1815. Peters’ Antwortbrief vom 27.05.1816 ist derzeit verschollen.

[1] Am linken Rand der ersten Briefseite befinden sich von anderer Hand noch Eingangs- und Antwortvermerk des Verlags: „1816 / 18. May / 27 '' / 28 '' / Thier / Spohr.”

[2] Nägelis 1794 gegründeter Verlag wurde 1807 von Jakob Christoph Hug übernommen; erst 1818 gründete Nägelis wieder einen eigenen Verlag (Thomas Meyer, Hug Musikverlage 1807-2007, Zürich 2007, S. 7 und 13f.).

[3] unleserlich wegen Knick im Brief.

[4] unleserlich wegen Knick im Brief.

[5] unleserlich wegen Knick im Brief.

[6] Hier gestrichen: „mit“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (05.09.2016).