Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 30
Druck: „Briefe L. Spohr’s an das Haus Peters in Leipzig”, in: Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung 2 (1867), S. 290f., 299, 314f., 338f., 346f., 363 und 379, hier S. 299

Herrn
Herrn A. Kühnel.
(Bureau de Musique.)
in
Leipzig.
 
franco1
 
 
Gotha den 24sten Nov. 10.
 
P. P.2
 
Ich würde Ihnen das Concert3 gleich mitschicken, wenn ich es nicht für nöthig gehalten hätte, manches in der Prinzipal-Stimme leichter4, und das Concert dadurch gemeinnüziger zu machen. Auch im Accompagnement habe ich einige schwere Stellen ausgemerzt; ich lasse es nun noch einmahl ausschreiben, und werde es so am Geburtstage des Prinzen am 28sten spielen. – Doch kann ich Ihnen dieses Concert nicht unter unsern ehemaligen Bedingungen geben, da ich alle Musick die ich gebrauche vom Hofe bekomme; ist es Ihnen daher gefällig dieses Concert unter denselben Bedingungen zu nehmen, wie ich mehrere Sachen an Nägeli verkauft habe5, für ein Concert nämlich 75 Rth. baar, so erbitte ich mir darüber ein Paar Zeilen Antwort.
Die große Arbeit von der ich Ihnen schrieb6 ist vollendet. Es ist dieß eine Oper in 3 Aufzügen, die ich für Schröder in Hamburg zu des[sen] neuer Entreprise geschrieben habe. Gegen Ostern werde ich hinreisen um Sie selbst zu dirigiren.7
Zu Bischoffs Concert ist bis jezt blos das Requiem bestimmt, und wir sind verlegen etwas passendes dazu zu finden.8 Wenn Sie glauben daß Himmels Vater Unser sich mit Ehren daneben stellen darf, so will ich es vorschlagen.
Meine Clarinettkompositionen9 halte ich zur Herausgabe zu schwer. Ich glaube nicht daß Sie je ein anderer als Hermstädt g[ut] blasen wird.
Beethovens neuestes Quatuor10 kenne ich noch nicht. Seine lezten 3 Quartetten11 s[o] wie die neuesten Simphonien (die indessen doch einige lichte Punckte haben) und vollen[ds] seine Ouverture aus der Eleonore sind fü[r] mich ungenießbar. Sie kommen mir vor wie Rhapsodien eines Verrückten.12
Mit Hochachtung
 
Ihr
ergebenster Diener
Louis Spohr.



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Kühnel an Spohr. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühnel, 18.05.1811.
 
[1] Über dem Adressfeld befindet sich von anderer Hand der Eingangsvermerk des Verlags: „1810 / d.24t Novbr. / d. 28t '' / Spohr / Gotha“.
 
[2] Auf der ersten Seite befindet sich von fremder Hand – möglicherweise des Redakteurs der AMZ, der 1867 den Abdruck des Briefs besorgte - mit Röthelstift: „Den letzten Satz dieses Briefs bitte nicht abzudrucken.“
 
[3] Op. 28.
 
[4] Gestrichen: „zu machen“.
 
[5] Tatsächlich erschien nur Spohrs Violinkonzert Nr. 5 in Es-Dur op. 17 bei Nägeli in Zürich.
 
[6] Vgl. Spohr an Kühnel, 10.09.1810.
 
[7] Tatsächlich verzögerte sich die Uraufführung der Oper bis zum 15.11.1811.
 
[8] Im Zentrum des von Georg Friedrich Bischoff organisierten und von Spohr geleiteten zweiten Frankenhäuser Musikfestes im Juli 1811 standen schließlich Haydns Jahreszeiten sowie Spohrs für diesen Anlass komponierte erste Sinfonie op. 20.
 
[9] Spohr hatte schon 1808 auf Wunsch des Sondershäuser Hofmusikers Johann Simon Hermstedt sein erstes Klarinettenkonzert in c-Moll op. 26 komponiert, das aber erst 1812 bei Kühnel verlegt wurde. 1810 entstand ebenfalls auf Wunsch von Hermstedt das zweite Klarinettenkonzert in Es-Dur op. 57, das im gleichen Jahr beim ersten Frankenhäuser Musikfest uraufgeführt wurde. Auch die Variationen für Klarinette und Orchester über ein Thema aus Spohrs Oper Alruna WoO 15 waren 1809 für Hermstedt geschrieben worden.
 
[10] op. 74.
 
[11] Der Verfasser einer am 22.05.1811 in der Allgemeinen Musikalischen Zeitung erschienenen Rezension zu Beethovens Streichquartett Nr. 10 Es-Dur op. 74 teilte Spohrs Meinung über die drei Streichquartette op. 59, die er als Rückschritt gegenüber Beethovens frühen Quartetten ansah wie op. 74 (vgl. Rez. „Quatuor pour 2 Violin, Viola et Violoncelle com. - par L. v. Beethoven [...] Ouev. 74”, in: Allgemeine musikalische Zeitung 13 (1811), Sp. 349ff.).
 
[12] Dieser Absatz im Autograf von fremder Hand mit Rötelstift eingeklammert und dem Vermerk versehen: „Nicht abdrucken!” (vgl. Anm. 2).
 
Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (20.07.2016).

Gotha den 24sten Nov. 10.
 
P. P.
 
Ich würde Ihnen das Concert gleich mitschicken, wenn ich es nicht für nöthig gehalten hätte, manches in der Prinzipal-Stimme leichter, und das Concert dadurch gemeinnüziger zu machen. Auch im Accompagnement habe ich einige schwere Stellen ausgemerzt; ich lasse es nun noch einmahl ausschreiben, und werde es so am Geburtstage des Prinzen am 28sten spielen. – Doch kann ich Ihnen dieses Concert nicht unter unsern ehemaligen Bedingungen geben, da ich alle Musick die ich gebrauche vom Hofe bekomme; ist es Ihnen daher gefällig dieses Concert unter denselben Bedingungen zu nehmen, wie ich mehrere Sachen an Nägeli verkauft habe, für ein Concert nämlich 75 Thlr. baar, so erbitte ich mir darüber ein Paar Zeilen Antwort.
Die große Arbeit von der ich Ihnen schrieb ist vollendet. Es ist diess eine Oper in 3 Aufzügen, die ich für Schröder in Hamburg zu dessen neuer Entreprise geschrieben habe. Gegen Ostern werde ich hinreisen um Sie selbst zu dirigiren.
Zu Bischoffs Concert ist bis jezt blos das Requiem bestimmt, und wir sind verlegen etwas passendes dazu zu finden. Wenn Sie glauben daß Himmels VaterUnser sich mit Ehren daneben stellen darf, so will ich es vorschlagen.
Meine Clarinettkompositionen halte ich zur Herausgabe zu schwer. Ich glaube nicht daß Sie je ein anderer als Hermstädt gut blasen wird.
(Folgt ein Urtheil über Beethoven’sche Compositionen, das wir lieber nicht mittheilen wollen. D. Red.)
Mit Hochachtung
 
Ihr
ergebenster Diener
Louis Spohr.