Autograf: Geheimes Staatsarchiv, Stiftung Preußischer Kulturbesitz Berlin (D-Bga), Sign. 5.2.G39, Nr. 235
Druck 1: Philippe A. Autexier, La lyre maçonne. Mozart, Haydn, Spohr, Liszt, Paris 1997, S. 219f. (frz. Übers.)
Druck 2: ders., Lyra Latomorum. Das erste Freimaurerliederbuch. Masonica über Haydn Mozart Spohr Liszt, pdf-Version nach dem Typoskript im Deutschen Freimaurermuseum Bayreuth, S. 315f.

Im Orient von Breslau den 8ten
December 4809.1

Sie haben mir erlaubt Hochwürdigster Meister Ihnen von meinem Maurerleben auf der Reise einige fortgesezte Nachrichten geben zu dürfen. Indem ich von dieser Erlaubniß Gebrauch mache, wünschte ich zugleich Ihnen meinen Eifer für die Maurerey meine Empfindungen beym Eintritt in eine neue Loge und die herzerhebenden beglückenden Gefühle mich in einem Kreise würdiger, für das Wohl der Menschheit beschäftigter Menschen zu befinden, schildern zu können. Gleich wenige Tage nach meiner Ankunft wohnte ich einer sehr interessanten Loge bey, die durch den Besuch des Hochwürdigsten Bruders Karsten aus Berlin verschönert wurde. Nachdem die Loge eröffnet war, wurde er von dem Bruder Ceremonienmeister hereingeführt und auf Maurerart bewillkommet. Der vorsitzende Meister Bruder Költsch ersuchte ihn dann im Nahmen aller Brüder den Hammer für die heutige Loge zu übernehmen und dem heut Aufzunehmenden das Glück zu gönnen von einem so allgemein verehrten und geliebten Bruder das Licht erhalten zu haben. Dieß lehnte aber Bruder Karsten ab. Nach der Reception bey der2 mir eine Abweichung von unserem gewöhnlichen Ritual sehr merkwürdig war, nemlich ein Lied das man vor dem Eintritt des Aspiranten in die Loge, nachdem man ihm die gewöhnlichen Fragen vorgelegt hatte, absang, hielt der Meister eine Rede3 worin er das Glück pries, die Tochter einer so verehrungswürdigen Mutter wie die Loge zu den 3 Weltkugeln in Berlin zu seyn und am Schluß4 den hochwürd. Bruder Karsten5 als Repräsentant dieser Loge bat ihr die herzlichen Grüsse der Tochter zu überbringen und sie ihrer ewigen und unwandelbaren Anhänglichkeit zu versichern. Diese Rede wurde vom Bruder Karsten beantwortet und die6 Loge dann bald geschlossen. Bey der Tafelloge hatte ich das Glück zwischen dem Meister und dem Br. Karsten zu sitzen und führte mit dem leztern viel interessante und für mich belehrende Gespräche über Maurerey. Er hörte kaum daß ich in Gotha aufgenommen sey als er sich sehr angelegentlichst nach Ihnen erkundigte und mir auftrug ihn Ihrer Gewogenheit und Bruderliebe bestens zu empfehlen.
Acht Tage später ward ich mit meiner Frau zu einem Souper im Logenlocale eingeladen wobey die Schwestern auch gegenwärtig waren. Es wurden viele interessante Lieder gesungen und es herschte eine anständige Fröhlichkeit, so daß meine Frau die sich7 zum erstenmahle in Gesellschaft von Freymaurern befand8, ganz entzükt von diesem Abend war. Gestern wurde ich zum Stiftungsfeste der hiesigen Loge welches sie den Montag9 feyern wird, eingeladen; da aber meine Abreise auf den
Montag schon festgesezt ist und man uns an diesem Tage in Liegnitz erwartet, so werde ich
leider nicht daran Theil nehmen können. — Im Voraus freue ich mich schon auf das Besuchen der
Loge in Berlin und auf die maurerischen Bekantschaften die ich dort machen werde. Darf ich Sie hochwürdigster Meister bitten mich10 sämtlichen Brüdern in Gotha herzlichst zu empfehlen und Sie um11 die Fortdauer Ihrer Gewogenheit und Bruderliebe ergebenst zu bitten. Louis Spohr

Autor(en): Spohr, Louis
Adressat(en): Salisch, Carl Heinrich von
Erwähnte Personen: Karsten, Dietrich Ludwig Gustav
Költsch, Johann Karl Julius
Spohr, Dorette
Erwähnte Kompositionen:
Erwähnte Orte:
Erwähnte Institutionen:
Zitierlink: www.spohr-briefe.de/briefe-einzelansicht?m=1809120817

Spohr



Dieser Brief ist die Antwort auf einen derzeit verschollenen Brief von Salisch an Spohr.
Am unteren Rand der ersten Seite von anderer Hand hinzugefügt: „Vorgetr. in der Lehrl. Rec. am 8t Jan. 1810“.

[1] Autexier kommentiert hier: „[recte 5809]“.

[2] Hier gestrichen: „ich nicht [???]“.

[3] Hier gestrichen: „und [???]“.

[4] Hier gestrichen: „bat“.

[5] Hier wieder gestrichen: „bat“.

[6] Hier ein Wort mit vier Buchstaben gestrichen.

[7] „sich“ über der Zeile eingefügt.

[8] „befand“ über gestrichenem „war“ eingefügt.

[9] 11.12.1810.

[10] Hier ein oder zwei Wörter gestrichen („der Loge“?).

[11] Hier gestrichen: „Ih“.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Karl Traugott Goldbach (10.11.2017).