Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), Sign. 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 24
Druck: „Briefe L. Spohr’s an das Haus Peters in Leipzig”, in: Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung 2 (1867), S. 290f., 299, 314f., 338f., 346f., 363 und 379, hier S. 299

Herrn
Herrn A. Kühnel
(au Bureau de Musique.)
in
Leipzig.

Franco.1


Gotha den 11ten
August 8.

Lieber Freund,

Noch immer bin ich nicht im Stande Ihnen die beyden Quartetts zu überschicken. Verschiedene Mahle habe ich versucht sie zu vollenden, allein meine Seele ist so ganz mit einer neuen großen Arbeit beschäftigt, daß ich wohl schwerlich jezt etwas gescheutes machen mögte. Wollen Sie aber an der Stelle der Quartetts eine Concertante für 2 Violinen (die ich dieses Frühjahr nach unserer Zurückkunft, auf Veranlassung der vielen Klagen über Mangel an guten Concertanten komponirte.) annehmen so werde ich sie Ihnen mit nächster Post überschicken. Sie träte dann als 9tes Werk an die Stelle der Quartetten. Oder wollen Sie 2 neue Potpourri, einen mit 5 stimmigen2, den anderen mit vollstimmigen Accompagnement3 in Verlag nehmen?
Die Arbeit die mich jezt ausschließlich beschäftigt ist eine große Oper in 3 Aufzügen. Der erste Act ist bereits beendigt und ich arbeite jezt an dem 2ten. Mein Genius scheint sich besonders zu der Gesangkomposition hinzuneigen, denn ein sehr gearbeitetes Finale des ersten Acts welches ich hier gegeben habe, wurde mi[t] allgemeinem Beyfall aufgenommen. Ich hoffe daher durch diese Arbe[it] mir am schnellsten Ruf als Komponist zu erwerben. Nächsten Winter werde ich sie in Weimar und dann warscheinlich auch in Frankfurt auf’s Theater bringen.4 Wenn’s mir einigermaßen möglich ist, werde ich alsdann auch nach Leipzig kommen, um Ihre Erard’schen Harfen zu sehen und für meine Frau eine aussuchen. Schon lange war dieß mein sehnlichster Wunsch.
Wissen Sie nichts von Rode. Er ist durch Königsberg gereist und seitdem wie verschwunden. Ich habe längst gehoft er würde durch Gotha reisen!
Grüße von meiner Frau.

Ihr
Freund
Louis Spohr.

NS. Haben Sie noch von den Quinten, von denen ich einen Stock mitnahm, und die ich sehr gut gefunden habe, oder auch andere eben so gute, so schicken Sie mir doch 3 Stock mit erster Post mit den Noten.



Der letzte nachgewiesene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühnel, 05.04.1808. Kühnels Antwortbrief ist derzeit verschollen.

[1] Neben dem Adressfeld befindet sich von anderer Hand der Empfangsvermerk des Verlags: „1808 / 11t Aug. / 17t Do. / Spohr / Gotha.“

[2] Op. 22.

[3] Op. 23.

[4] Die konzertante Aufführung in Weimar, bei der auch Goethe anwesend war, verzögerte sich bis zum August 1809 (vgl. Folker Göthel, Thematisch-bibliographisches Verzeichnis der Werke von Louis Spohr, Tutzing 1981, S. 327; Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Tutzing 1968, Bd. 1, S. 115, Text mit fehlerhafter Paginierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 1, Kassel und Göttingen 1861, S. 83). Nachdem er sie Musik aufgeführt gehört hatte war Spohr mit seiner Komposition so unzufrieden, dass er von einer Veröffentlichung – mit Ausnahme der Ouvertüre – und weiteren Aufführungen absah (vgl. Spohr, ebd.). Verhandlungen über eine Aufführung in Frankfurt sind derzeit nicht bekannt.

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (14.07.2016).