Autograf: Sächsisches Staatsarchiv, Staatsarchiv Leipzig (D-LEsta), Sign. 21070 C. F. Peters, Leipzig, Nr. 850, Bl. 21
Druck: „Briefe L. Spohr’s an das Haus Peters in Leipzig”, in: Leipziger Allgemeine Musikalische Zeitung 2 (1867), S. 290f., 299, 314f., 338f., 346f., 363 und 379, hier S. 291

Gotha den 26sten Juni
1807.

P. P.

Verzeihen Sie lieber Freund daß ich ihren Brief vom 25sten May erst jezt beantworte. Beym Empfang desselben war ich so eben im Begriff eine Reise zu meinen Eltern zu machen, von der ich erst jezt zurückgekehrt bin.1
Ihre lezten Anerbietungen wegen des Pianoforte‘s konnte ich eben so wenig wie die vorhergehenden annehmen. Ich konnte bey meinem jezigen Gehalt, bey den vielen außerordentlichen Ausgaben zu denen mich theils der Krieg theils die Vergrößerung meiner Familie2 zwingt, durchaus keine größere Summe aufbringen, wie ich ich Ihnen das auch schon geschrieben hatte. Aber ich frage Sie, war es Ihnen denn gar nicht möglich meine Proposition anzunehmen? wie ging es denn zu, daß Sie dem Kapellmeister Himmel ein weit theureres Instrument ohne alles baares Geld für Manuscripte zukommen ließen! Seine Kompositionen haben freilich für den Verleger einen größern Werth wie die meinigen; sie werden wegen seines größern Rufs mehr gekauft. Wollen Sie aber nicht als solcher sondern als Künstler und Kunstkenner unsere Sachen beurtheilen, so werden hoffentlich die meinigen, besonders die neuesten Manuscripte nicht zurück steh[en.] Auch hätten Sie wohl auf den verschiede[nen] Zweck den wir, Himmel und ich hatten, einige Rücksicht nehmen können. Himmel hat sein Instrument auf Speculation von Ihnen genommen und wird es, ehe er von hier abgeht mit einem gewiß nicht kl. Gewinn wieder absetzen; ich hatte es es zum Geschenk für meine Frau bestimmt. Himmel wird Ihnen seine Manuscripte gewiß nicht wohlfeil anrechnen, wie Sie schon aus dem Honorar für seine Liederchen gesehen haben werden.3 Ich hatte Ihnen versprochen die meinigen so billig wie möglich zu geben. Doch genug davon und nun zum Zweck des Briefs.
Um als Komponist einen Ruf zu bekommen ist das einfachste Mittel, seine Kompositionen, wenn man sich ihrer namlich nicht zu schämen braucht, durch die Presse bekannt zu machen. Ich schickte Ihnen grade vor einem Jahr 3 Manuscripte, wovon jezt erst 2 erschienen sind.4 Daraus ersehe ich, daß Sie ohnmöglich alle die Kompositionen, von denen ich wünschte daß sie bald bekannt werden mögten, verlegen können. Da mir aber zu sehr daran liegt, daß einige meiner bedeutenden Sachen, durch die ich am ersten hoffen darf als Komponist einigen Ruf zu bekommen, namlich 2 Ouverturen5 einige Scenen aus der kl. Oper6 und besonders meine lezten Concerte so bald als möglich bekannt werden; so ersuche ich Sie recht sehr mir bald und bestimmt zu schreiben, was Sie von meinen Sachen, die Ihnen aus meinen Briefen (bis auf ein neues Concert in es#7 und einen Potpou[rri] über Thema’s aus des Don Juan8) hinlänglich bekannt sind, wohl verlegen könnten, und wie bald ich hoffen dürfte sie in Stich zu sehen. Da Sie mir in einem Ihrer Briefe schreiben, daß Sie sich jezt auf größere Sachen nicht einlassen könnten, so werde ich mich wegen dieser an einen andern Verleger wenden, und Sie könn[ten] mich verpflichten wenn Sie mir einen gefälligst vorschlügen.
Da die projectirte Reise mit seiner Frau nun nächsten Winter wills Gott vorsich gehen soll9, so können Sie leicht denk[en] wie sehr mir die baldige Erscheinung meiner Sachen am Herzen liegt.
Für die Auszahlung des Geldes an Hrn. Limburger danke ich Ihnen ergebenst.
Mit Hochachtung

Ihr Freund
L. Spohr10



Dieser Brief ist die Antwort auf den derzeit verschollenen Brief Kühnel an Spohr, 25.05.1807. Der nächste erhaltene Brief dieser Korrespondenz ist Spohr an Kühnel, 16.07.1807.

[1] Falls Kühnels Brief nicht extrem lange unterwegs war (dem Eingangsvermerk dieses Briefs von Spohr zufolge (vgl. Anm. 10) hatte dieser Brief einen Postweg von 6 Tagen), vereinfacht Spohr hier. Da am 27.05.1807 seine Tochter Emilie zu Welt kam, erscheint es unwahrscheinlich, dass Spohr an diesem oder einem der folgenden Tage zu einer Reise zu seinen Eltern aufbrach, zumal die Taufe am 14.06.1807 stattfand (vgl. [Ludwig] Spohr, Spohr'sches Familienbuch. Genealogie der Familie Spohr aus Alfeld und kleine Beiträge zu einer Familien-Chronik, Karlsruhe [1909], S. 41). In seinen Lebenserinnerungen berichtet er, dass seine Eltern an den Feierlichkeiten zur Taufe seiner Tochter nicht teilnehmen konnten (vgl. Louis Spohr, Lebenserinnerungen, hrsg. v. Folker Göthel, Bd. 1, Tutzing 1968, S. 101, Text mit falscher Pagnierung auch online; ders., Louis Spohr’s Selbstbiographie, Bd. 1, Kassel und Göttingen 1860, S. 107). Möglicherweise stattete er ihnen deshalb anschließend den hier erwähnten Besuch ab.

[2] Nach der Niederlage Preußens bei den Gotha benachbarten Orten Jena und Auerstedt am 14.10.1806 war die politische und wirtschaftliche Lage lange unklar. - Am 27.05.1807 war Spohrs älteste Tochter Emilie geboren (vgl. Anm. 1).

[3] Vermutlich bezieht sich Spohr hier auf die Sechs Lieder von Goethe von Friedrich Heinrich Himmel, die etwa zu dieser Zeit (Pl. Nr. 524) bei Kühnel erschienen sind.

[4] Mit seinem Brief vom 26.06.1806 übersandte Spohr Kühnel die Manuskripte der Variationen op. 6 und op. 8 sowie des Violinkonzerts in C-Dur op. 7. Op. 6 und 7 erschienen 1806 bei Kühnel im Druck, op. 8 folgte 1807.

[5] Tatsächlich veröffentlichte Spohr seine Ouvertüre in C-Dur op. 12 1808 bei Simrock in Bonn. 1809 folgte beim selben Verleger die Ouvertüre zu seiner Oper die Prüfung, op. 15a.

[6] Mit Ausnahme der Ouvertüre wurde nichts aus Spohrs 1806 in Gotha komponierter Oper Die Prüfung veröffentlicht.

[7] Spohrs Violinkonzert op. 17 erschien 1810 bei Nägeli in Zürich.

[8] Spohrs Potpourri op. 22 erschien 1811 bei André in Offenbach.

[9] Im Oktober 1807 trat das Ehepaar Spohr eine Konzertreise nach Weimar, Leipzig, Dresden, Prag, München, Stuttgart, Karlsruhe, Mannheim, Heidelberg, Darmstadt und Frankfurt an.

[10] Auf der vierten und letzten Seite des Briefes befindet sich von anderer Hand der Einfangsvermerk des Verlags: „1807 / 26t Juny / 2t July / Spohr / Gotha.“

Kommentar und Verschlagwortung, soweit in den Anmerkungen nicht anders angegeben: Wolfram Boder (12.07.2016).